Ue
Beethoven-Haus Bonn Hilfe
schließen ×

Hilfe zur Benutzung der Brieftexte

Editorische Zeichen in den Brieftexten

  • <...> Streichung, Überschreibung, Löschung
  • [...] Herausgeberzusatz
  • +...+ Markierung längerer Passagen, auf die im Kommentar eingegangen wird, z.B. mehrfache Unterstreichung
  • +...+ Einfügungen des Schreibers mit Verweiszeichen im Original
  •  ... * Asterisk, Kennzeichnung von Textverlust durch Beschädigung der Handschrift

Ungebräuchliche und schwer verständliche Abkürzungen im Brieftext werden in eckigen Klammern [ ] aufgelöst. Die gängigen Abkürzungen und Zeichen für Münzen und Währungen bleiben unverändert. Nicht aufgelöst werden auch die geläufigen Abkürzungen bei Tempo- und Instrumentenbezeichnungen wie Allo, Andte, Vno(Violino) und Vcello(Violoncello).

Wurde ein Dokument im Laufe der Überlieferung getrennt und befindet sich nur ein Teil im Beethoven-Haus Bonn, ist dieser Teil in der Übertragung fett wiedergegeben.

Abkürzungen in den Brieftexten

  • # Dukaten
  • sfl., f., fr. Florin, Gulden
  • kr, xr, x Kreuzer
  • C.M., c.m. Konventionsmünze
  • W.W., w.w. Wiener Währung
  • BZ, B.Z. Bancozettel
  • £ Pfund Sterling
  • Rthlr Reichstaler
  • Thlr Taler
  • d.c. da capo
  • d.g., dgl. dergleichen
  • d.s. dal segno
  • etc. et cetera
  • mp, m.p. manu propria
  • Nb. Nota bene
  • P.P. Praemissis Praemittendis
  • P.S. Postscriptum
  • P.T. Pleno Titulo

Der nachgestellte Kommentar enthält den Quellennachweis sowie textkritische und erläuternde Anmerkungen. Für die häufiger zitierte Literatur werden Abkürzungen und Siglen verwendet.

3. Beethoven an Joseph Wilhelm von Schaden1 in Augsburg

den 15ten herbstmonat. [=September]2 bonn 1787.

hochedelgebohrner insonders werther freund!

was sie von mir denken, kann ich leicht schließen; daß sie gegründete ursachen haben, nicht vortheilhaft von mir zu denken, kann ich ihnen nicht widersprechen; doch ich will mich nicht eher entschuldigen, bis ich die ursachen angezeigt habe, wodurch ich hoffen darf, daß meine entschuldigungen angenommen werden. ich muß ihnen bekennen: daß, seitdem ich von augspurg hinweg bin,3 meine freude <wie> und mit ihr meine gesundheit begann aufzu hören; je näher ich meiner vaterstadt kam, je mehr briefe erhielte ich von meinem vater,4 geschwinder zu reisen als gewöhnlich, da meine mutter nicht in günstigen gesundheitsumständen wär; ich eilte also, so sehr ich vermochte, da ich doch selbst unpäßlich wurde: das verlangen meine kranke mutter noch einmal sehen zu können, sezte alle hinderniße bey mir hinweg, und half mir die gröste beschwerniße überwinden. ich traf meine mutter noch an, aber in den elendesten gesun[d]heitsumständen; sie hatte die schwindsucht und starb endlich ungefähr vor sieben wochen,5 nach vielen überstandenen schmerzen und leiden. sie war mir eine so gute liebenswürdige mutter, meine beste freundin; o! wer war glüklicher als ich, da ich noch den süßen namen mutter aussprechen konnte, und er wurde gehört, und wem kann ich ihn jezt sagen? den stummen ihr ähnlichen bildern, die mir meine einbildungskraft zusammensezt? so lange ich hier bin, habe ich noch wenige vergnügte stunden genoßen; die ganze Zeit hindurch bin ich mit der engbrüstigkeit behaftet gewesen, und ich muß fürchten, daß gar eine schwindsucht daraus entstehet; dazu kömmt noch melankolie, welche für mich ein fast eben so großes übel, als meine krankheit selbst ist. denken sie sich jezt in meine lage, und ich hoffe vergebung, für mein langes stillschweigen, von ihnen zu erhalten. die außerdordentliche güte und freundschaft, die sie hatten mir in augspurg drey k[a]r[o]lin zu leihen, muß ich sie bitten noch einige nachsicht mit mir zu haben; meine reise hat mich viel gekostet, und ich habe hier keinen ersaz auch den geringsten zu hoffen; das schiksaal hier in bonn ist mir nicht günstig.6
sie werden verzeihen, daß ich sie so lange mit meinem geplauder aufgehalten, alles war nöthig zu meiner entschuldigung.
ich bitte sie mir ihre vererun[g]swürdige freundschaft weiter nicht zu versagen, <ich wünschte> der ich nichts so sehr wünsche, als mich ihrer freundschaft nur in etwas würdig zu machen.

<der> ich bin mit aller hochachtung ihr gehorsamster diener und freund
l. v. beethowen.
kurf[ürstlich]-kölnischer hoforganist.

a Monsieur Monsieur de Schaden conseilièr de augspurg à augspurg



1 Joseph Wilhelm Freiherr von Schaden (1752 – 1813) war Ratskonsulent in Augsburg und Hofrat am Hofe des Fürsten von Oettingen-Wallerstein. Beethoven lernte das Ehepaar Schaden vermutlich auf seiner Reise nach Wien im März 1787 in Wallerstein und Augsburg kennen und besuchte es erneut auf der Rückreise Ende April desselben Jahres. Nanette von Schaden (1763 – 1834) war eine vorzügliche Pianistin. Zu Beethovens Reise s. Eduard Panzerbieter, Beethovens erste Reise nach Wien im Jahre 1787 , in: ZfMw 10 (1927/28), S. 153 – 161; s. auch Erich Schenk, Beethovens Reisebekanntschaft von 1787, Nanette von Schaden , in: Festschrift Karl Gustav Fellerer zum 60. Geburtstag, Regensburg 1962, S. 461 – 473.

2 Die Bezeichnung "Herbstmonat" verwendet Beethoven sowohl für September als auch Oktober. Hier ist offenbar September gemeint, da sich Beethoven auf den Tod der Mutter "ungefähr vor sieben wochen" bezieht. Siehe hierzu Alan Tyson, Prolegomena to a Future Edition of Beethoven's Letters , in: Beethoven Studies 2, hrsg. v. A. Tyson, London 1977, S. 7ff.

3 Beethoven war auf der Rückreise von Wien am 26.4.1787 in Augsburg eingetroffen und dürfte sich dort nur kurze Zeit aufgehalten haben, s. Augsburgisches Intelligenzblatt, Nr. 18 vom 30.4.1787, S. 76.

4 Johann van Beethoven (um 1740 – 1792). Seine Briefe sind nicht überliefert.

5 Maria Magdalena van Beethoven geb. Keverich (geb. 19.12.1746 in Ehrenbreitstein) starb am 17.7.1787 in Bonn.

6 Wohl eine Anspielung auf seine familiären Verhältnisse. Nach dem Tod der Mutter war für drei jüngere Geschwister zu sorgen, die Brüder Kaspar Anton Karl (13 Jahre alt) und Nikolaus Johann (11 Jahre alt) und die anderthalb Jahre alte Schwester Maria Margarete Josepha, die schon am 26.11.1787 starb. Wie weit der Vater, Johann van Beethoven, in dieser Zeit noch in der Lage war, seiner Familie vorzustehen, läßt sich schwer ermessen. Er wurde 1789 vom Dienst suspendiert und starb am 18.12.1792 im Alter von 52 Jahren. Seine Trunksucht dürfte 1787 schon weit fortgeschritten gewesen sein. Wie sein Gesuch um Gehaltsvorschuß (24.7.1787) zeigt, war die Familie stark verschuldet, s. Schiedermair a.a.O., S. 191.


© 1998 G. Henle Verlag, München