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Hilfe zur Benutzung der Brieftexte

Editorische Zeichen in den Brieftexten

  • <...> Streichung, Überschreibung, Löschung
  • [...] Herausgeberzusatz
  • +...+ Markierung längerer Passagen, auf die im Kommentar eingegangen wird, z.B. mehrfache Unterstreichung
  • +...+ Einfügungen des Schreibers mit Verweiszeichen im Original
  •  ... * Asterisk, Kennzeichnung von Textverlust durch Beschädigung der Handschrift

Ungebräuchliche und schwer verständliche Abkürzungen im Brieftext werden in eckigen Klammern [ ] aufgelöst. Die gängigen Abkürzungen und Zeichen für Münzen und Währungen bleiben unverändert. Nicht aufgelöst werden auch die geläufigen Abkürzungen bei Tempo- und Instrumentenbezeichnungen wie Allo, Andte, Vno(Violino) und Vcello(Violoncello).

Wurde ein Dokument im Laufe der Überlieferung getrennt und befindet sich nur ein Teil im Beethoven-Haus Bonn, ist dieser Teil in der Übertragung fett wiedergegeben.

Abkürzungen in den Brieftexten

  • # Dukaten
  • sfl., f., fr. Florin, Gulden
  • kr, xr, x Kreuzer
  • C.M., c.m. Konventionsmünze
  • W.W., w.w. Wiener Währung
  • BZ, B.Z. Bancozettel
  • £ Pfund Sterling
  • Rthlr Reichstaler
  • Thlr Taler
  • d.c. da capo
  • d.g., dgl. dergleichen
  • d.s. dal segno
  • etc. et cetera
  • mp, m.p. manu propria
  • Nb. Nota bene
  • P.P. Praemissis Praemittendis
  • P.S. Postscriptum
  • P.T. Pleno Titulo

Der nachgestellte Kommentar enthält den Quellennachweis sowie textkritische und erläuternde Anmerkungen. Für die häufiger zitierte Literatur werden Abkürzungen und Siglen verwendet.

22. Beethoven an Johann Andreas Streicher1

[Wien, vielleicht August/September 1796]2

Bester Streicher! ich habe sie recht sehr um verzeihung zu bitten, daß ich ihnen auf ihren sehr verbindlichen Brief an mich so spät eine Antwort gebe... wenn ich ihnen sagte, daß mich meine mich fast überhäufende Arbeiten dran hinderten, so lüge ich gewiß nicht. ihre kleine Schülerin3 lieber St. hat mich zudem, daß sie mir bey dem Spiele meines adagios4 ein Par Zähren aus den Augen Gelockt, in verwundrung gesezt. ich wünsche ihnen Glück, daß sie so glücklich sind, ihre Einsichten bey so einem Talent zeigen zu können, so wie ich mich freue, daß die kleine liebe bey ihrem Talent sie zum Meister bekommen hat. aufrichtig lieber St. ich habe mich zum erstenmale getraut, mein terzett5 spielen zu hören, und wahrlich es wird mich bestimmen mehr für's Klawier zu schreiben als bisher, wenn mich auch nur einige verstehen, so bin ich zufrieden. es ist gewiß, die Art das Klawier zu spielen, ist noch die unkultiwirteste von allen Instrumenten bisher, man glaubt oft nur eine Harfe zu hören, und ich freue mich lieber, daß sie von den wenigen sind, die einsehen und fühlen, daß man auf dem Klawier auch singe[n] könne, sobald man nur fühlen kan[n], ich hoffe die Zeit wird kommen, wo die Harfe und das Klawier zwei ganz verschiedene Instrumente seyn werden. übrigens glaube ich, daß sie die Kleine überall spielen können laßen, und unter unß, sie wird ma[n]chen von unsern gewöhnlichen eingebildeten Leyrern Beschämen.
noch eins: werden sie mir wohl nicht übel nehmen, bester St. wenn auch ich nur einigen wenigen Antheil an ihrer Bildung nehme? – d.h. daß ich mich nur um ihre Fortschritte bekümmere, denn ohne ihnen schmeicheln zu wollen, ich wüßte ihr nichts mehr und besser zu sagen als sie. nur ihre fortschritte beobachten, und sie aufmuntern lassen sie mich. – nun leben sie wohl lieber St. und bleiben sie mein Freund, so wie ich bin ganz

ihr wahrer Freund
L. v. Beethowen.

ich hoffe sie bald selbst besuchen zu können, und dann werde ich ihnen auch die Numer von Meiner Wohnung anzeigen. grüßen sie mir ihre liebe Frau6 .



1 Johann Andreas Streicher (1761 – 1833), Pianist, Klavierlehrer und Klavierbauer, Jugendfreund Schillers, seit Juli 1794 in Wien.

2 Der Brief ist vermutlich in der Zeit nach Beethovens Rückkehr von Berlin geschrieben worden, als er noch keine feste Wohnung gefunden hatte, etwa zwischen Juli und September 1796. Andernfalls hätte er in der Lage sein sollen, die Nummer des Gebäudes anzugeben. Vor seiner Reise wohnte er spätestens seit Mai 1795 im gräflich Ogilvyschen Freihaus in der Kreuzgasse Nr. 35 (Metastasiogasse) und davor in der Alsergasse 45 bei Fürst Karl Lichnowsky. Das Ehepaar Streicher war im Juli 1794 von Augsburg nach Wien gekommen.

3 Gemeint ist wahrscheinlich die junge Augsburger Pianistin Elisabeth von Kissow (1784 – 1868; TDR I, S. 394, schreiben irrtümlich Klissow), spätere Frau Bernhard, deren Erinnerungen an Beethoven 1864 von Nohl in Augsburg aufgezeichnet wurden, s. Ludwig Nohl, Beethoven. Nach Schilderungen seiner Zeitgenossen , Stuttgart 1877, S. 17 – 20. Sie war mit den Streichers nach Wien gekommen und lebte im Hause des russischen Gesandtschaftssekretärs von Klüpfell (der Name wird in FrBH I, S. 38, mit Klüpfeld angegeben).

4 Möglicherweise ein Satz aus dem unten erwähnten " terzett".

5 Anscheinend ein Klaviertrio. Wenn das zuvor erwähnte Adagio ein Satz daraus gewesen ist, kommt das Trio op. 1 Nr. 1 in Frage. Die Tempobezeichnung des zweiten Satzes lautet "Adagio cantabile" .

6 Nannette Streicher (1769 – 1833) geb. Stein, Tochter des angesehenen Klavierbauers Johann Andreas Stein (1728 – 1792) in Augsburg.


© 1998 G. Henle Verlag, München