54. Beethoven an Franz Anton Hoffmeister in Leipzig
Vien am 15ten (oder so was dergleichen) Jenner 1801
mit vielem Vergnügen mein geliebtester Hr. Bruder und Freund habe ich ihren Brief gelesen, ich danke ihnen recht herzlich für die Gute Meynung, die sie für mich und meine Werke gefaßt haben, und wünsche es nur recht verdienen zu können; auch dem Hr. K. bitte ich meinen Pflicht-schuldigen Dank für seine gegen mich geaußerte Höflichkeit und Freundschaft abzustatten. – ihre Unternehmungen freuen mich ebenfalls, und ich wünsche, daß wenn die Werke der Kunst gewinn schaffen können, dieser doch viel lieber ächten wahren Künstlern, als bloßen Krämern zutheil werde. – daß sie Sebastian Bach'sWerke herausgeben wollen, ist etwas, was meinem Herzen, das ganz für die Hohe Große Kunst dieses Urvaters der Harmonie schlägt, recht wohl thut, und ich bald im vollen Laufe zu sehen wünsche, ich hoffe von hier aus, sobald wir den goldnen Frieden verkündigt werden hören, selbst manches dazu Beyzutragen, sobald sie darauf prenumeration nehmen. – was nun unsere eigentliche[n] Geschäfte anbelangt, weil sie es nun so wollen, so sey ihnen hiemit gedient, für jezt trage ich ihnen folgende sachen an: Septet , (wovon ich ihnen schon geschrieben, zu mehrerer Verbreitung und Gewinst ließ es sich auch auf's Klawier arrangiren) 20 # – Sinfonie 20 # – Concert 10 # – Große Solo Sonate (allegro, adagio, Minuetto, Rondo) 20 # (diese Sonate hat sich gewaschen, geliebtester Hr. Bruder) nun zur Erlaüterung: sie werden sich vieleicht wundern, daß ich hier keinen Unterschied zwischen Sonate, Septett, Sinfonie mache, weil ich finde, daß ein Septett oder Sinfonie nicht so viel Abgang findet als eine Sonate, deswegen thue ich das, obschon eine Sinfonie unstreitig mehr gelten soll, (Nb : das Septett besteht aus einem kurzen Eingangs- adagio , dann allegro, Adagio, Minuetto, Andante mit Variazionen, Minuetto , wieder kurzes Eingangs- adagio und dann presto) – das Concert schlage nur zu 10 # an, weil wie schon geschrieben ich's nicht für eins <me> von meinen besten ausgebe – ich glaube nicht, daß ihnen dieses übertrieben scheint alles zusammengenommen, wenigstens habe ich mich bemüht, ihnen so mäßig als möglich die Preise zu machen – was die Anweisung betrift, so können, da sie mir es frey stellen, selbe an Geimüller oder Schuller ergehen lassen. – die ganze Summe wäre also 70 # für alle 4 Werke, ich verstehe mich auf kein anderes Geld als Wiener # , wie sich das bey ihnen Thaler und gldn macht, das geht mich alles nichts an, weil ich wirklich ein schlechter Negociant und Rechner bin. –
nun wäre das saure Geschäft vollendet, ich nenne das So, weil ich wünschte, daß es anders in der Welt seyn könnte, es sollte nur ein Magazin der Kunst in der Welt seyn, wo der Künstler seine Kunstwerke nur hinzugeben hätte, um zu nehmen, was er brauchte, so muß man noch ein halber Handelsmann dabey seyn, und wie findet man sich darein – du lieber Gott – das nenne ich noch einmal sauer – was die Leipziger R.[ezensenten] betrift, so lassen man sie doch nur reden, sie werden gewiß niemand durch ihr Geschwäz unsterblich machen, so wie sie <sie> auch niemand die Unsterblichkeit nehmen werden, dem sie von Apoll bestimmt ist. – jezt behüte sie und ihren mitverbundenen der Himmel, ich bin schon einige Zeit nicht wohl, und da wird es mir jezt sogar ein wenig schwer Noten zu schreiben, vielweniger Buchstaben, ich hoffe, daß wir oft Gelegenheit haben werden, unß zu zusichern, wie sehr sie meine Freunde, und wie sehr ich bin ihr Bruder und Freund
L. v. Beethowen
auf ein[e] baldige Antwort. – adieu
A Monsieur François Hoffmeister maitre de Chapelle a Leipsic
abzugeben in dem Bureau de Musique
1
Brief 53 vom 7.1.1801, nicht erhalten.
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Gemeint ist Hoffmeisters Kompagnon, der Organist Ambrosius Kühnel (1770 – 1813), der mit ihm im Vorjahr das Bureau de Musique in Leipzig gegründet hatte. Nach Hoffmeisters Ausscheiden Ende 1804 führte Kühnel den Verlag allein weiter, und zwar zunächst noch unter dem gemeinsamen, ab 22.3.1806 unter dem eigenen Namen. Nach Kühnels Tod übernahm Carl Friedrich Peters den Verlag (am 1.4.1814 beim Handelsgericht Leipzig als Inhaber eingetragen).
3
Hoffmeister hatte Beethoven anscheinend in Brief 53 von diesem Projekt berichtet. Eine kurze Mitteilung erschien am 4.2.1801 in der AMZ 3 (1801), Sp. 336: "Es ist vielleicht ein, den Grad der musikalischen Kultur und die neueste Richtung des Geschmacks charakterisirendes Phänomen, dass zwey Musikverleger zugleich es vortheilhaft gefunden haben, J. Sebastian BachsWerke herauszugeben – Hr. Simrock in Bonn die berühmten Präludien, und das Bureau de musique (die Herren Hoffmeister und Kühnel) in Leipzig die vollständigen Werke dieses Vaters deutscher Harmonie. – "
4
Nach der Niederlage in der Schlacht bei Hohenlinden (3.12.1800) zog sich Österreich aus der Koalition gegen Frankreich zurück und schloß am 9.2.1800 den Frieden von Lunéville.
5
Op. 20.
6
Op. 21.
7
Op. 19.
8
Op. 22.
9
Die Satzbezeichnungen differieren zum Teil mit denen der bei Hoffmeister & Kühnel erschienenen Originalausgabe (1802). Das zweite "Minuetto" ist dort als "Scherzo" , die Introduktion zum Finale als "Andante con moto" bezeichnet.
10
Großhandelshaus der Brüder Johann Heinrich und Johann Jakob Geymüller in der Wallnerstraße Nr. 283 in Wien.
11
Großhandelshaus des Adam Schuller, am Hof Nr. 357 in Wien.
12
Siehe hierzu Maynard Solomon, Beethoven's "Magazin der Kunst" , in: 19th Century Music 7 (1984), S. 199 – 208.