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Editorische Zeichen in den Brieftexten

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  • [...] Herausgeberzusatz
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  •  ... * Asterisk, Kennzeichnung von Textverlust durch Beschädigung der Handschrift

Ungebräuchliche und schwer verständliche Abkürzungen im Brieftext werden in eckigen Klammern [ ] aufgelöst. Die gängigen Abkürzungen und Zeichen für Münzen und Währungen bleiben unverändert. Nicht aufgelöst werden auch die geläufigen Abkürzungen bei Tempo- und Instrumentenbezeichnungen wie Allo, Andte, Vno(Violino) und Vcello(Violoncello).

Wurde ein Dokument im Laufe der Überlieferung getrennt und befindet sich nur ein Teil im Beethoven-Haus Bonn, ist dieser Teil in der Übertragung fett wiedergegeben.

Abkürzungen in den Brieftexten

  • # Dukaten
  • sfl., f., fr. Florin, Gulden
  • kr, xr, x Kreuzer
  • C.M., c.m. Konventionsmünze
  • W.W., w.w. Wiener Währung
  • BZ, B.Z. Bancozettel
  • £ Pfund Sterling
  • Rthlr Reichstaler
  • Thlr Taler
  • d.c. da capo
  • d.g., dgl. dergleichen
  • d.s. dal segno
  • etc. et cetera
  • mp, m.p. manu propria
  • Nb. Nota bene
  • P.P. Praemissis Praemittendis
  • P.S. Postscriptum
  • P.T. Pleno Titulo

Der nachgestellte Kommentar enthält den Quellennachweis sowie textkritische und erläuternde Anmerkungen. Für die häufiger zitierte Literatur werden Abkürzungen und Siglen verwendet.

110. Beethoven an Breitkopf & Härtel in Leipzig

Vien am 13ten November . 1802.

Ich eile ihnen nur das Wichtigste zu schreiben – wissen sie also, daß die ErzschurkenArtaria unter der Zeit, als ich auf dem Lande wegen meiner Gesundheit wegen war,1das quintett2 sich vom grafen Frießunter dem Vorwand, daß es schon gestochen und hier Existire,3 sich zum Nachstich, weil das ihrige fehlerhaft, ausgebeten hatten, und – wirklich vor einigen Tägen das Publikum damit erfreuen wollten4 – der gute gr.[af] F. [ries] bethört, und nicht nachdenkend, ob das nicht eine schelmerey seyn könne hatte es ihnen also gegeben,5 mich selbst konnte er nicht fragen – ich war nicht da – doch glücklicher weise werde ich die Sache noch zur rechten Zeit gewahr es war den Dienstag dieser Woche,6 in meinem Eifer meine Ehre zu Retten, ihren Schaden in der gröstmöglichsten Geschwindigkeit zu verhindern, zwei neue Werke7 bot ich diesen niederträchtigen Menschen an, um die Ganze Auflage zu unterdrücken, aber ein kälterer Freund8 , den ich bey mir hatte, frägt mich wollen sie diese Schurken noch belohnen? die Sache wird also unter Bedingungen geschloßen, indem Sie versicherten, es müste bey ihnen heraus kommen was nur immer wollte, sie würden es ihnen nachstechen, diese edelmüthigen Schurken entschließen sich also für den termin von 3 wochen, wann ihr Exemplare hier erschienen wären, <für di> nachdem also erst ihre Exemplare heraus zu geben, (indem sie behaupteten Gr. F. habe ihnen das Exemplar geschenkt) für diesen termin sollte der Contract geschlossen werden, und ich mußte dafür ihnen einwerk geben, welches ich auf wenigstens 40 # rechnen9 noch ehe dieser Kontrakt geschlossen, kömmt mein guter Bruder, wie vom himmel gesendet, er eilt zumgr. Fries, die ganze Sache ist die gröste Betrügerei von der Welt, das detail davon, wie fein sie mich vom Gr. F. abzuhalten wußte, und alles übrige mit nächstem – auch ich gehe nun zu F., und beyliegender Revers mag zum Beweise dienen, daß ich alles gethan, um ihren Schaden zu verhüten – und die Darstellung des ganzen mag ihnen ebenfalls beweisen, daß mir kein Opfer zu theuer gewesen, um meine Ehre zu retten, und sie vor schaden zu bewahren – aus dem Revers ersehen sie zugleich ihre Maaßregeln, ich glaube, daß sie nun so viel als möglich eilen hieher Exemplare zu senden, und wenns möglich ist um denselben Preiß, wie <die>der <des> der schurkenSonnleitner10 und ich wollen noch alle übrige Maaßregeln nehmen, die unß gut dünken, damit ihre ganze Auflage vernichtet werde – merken sie sich wohl, molloundArtaria machen schon wirklich nur ein HandelsHauß,11 daß heißt ein ganze Familie von Schurken zusammen – die dedikazion anFrieß haben sie doch nicht vergessen, indem sie mein Bruder auf ersten Blatte angezeigt12 – den Revers haben ich ihnen selbst abgeschrieben, indem mein armerBruder so viele geschäfte hat, <aber> und doch alles mögliche gethan, um sie und mich zu retten, er hat dabey in der Verwirrung einen treuen Hund, den er seinen Liebling nannte, eingebüßt, er verdient, daß sie ihm selbst deswegen Danken, <indem> so wie ich es selbst schon für mich gethan – stellen sie sich vor, daß ich vom dienstag an bis gestern Abends spät bis [recte: mit] diesem Handel fast einzig beschäftigt, und nur die Idee dieses SchurkenStreichs mag hinreichen sie fühlen zu laßen, <was>wie <es> unangenehm es war, mit solchen elenden Menschen zu thun zu haben –
Lv. Beethowen

Revers

Unterzeichneter verpflichtet sich hiermit, das vom Hr. Grafen Frieß erhaltene Quintet komponirt von Lud. v. Beethowen, unter gar keine<r>m <Bedingung ander> Vorwand zu verschicken, noch hier oder anderswo zu verkaufen, bis die Original Auflage 14 Täge hier in Wien in Umlauf ist.
Artaria Comp
Wien am 12 9br 1802 –

dieser R. [evers] ist mit eigener Hand von der Comp. unterschrieben
Benuzen sie folgendes:
ist zu haben à Vienne chez Artaria Comp. à Münich chez F. halm, à Frankfort chez gayl et hädler,13 vieleicht auch in Leipzig chez meysel – der Preiß ist 2 fl. zwei Gldn Wiener währung
Zwölf Exemplare die einzigen wie sie mir gleich anfangs versicherten, habe ich erwischt, und das alles davon abgeschrieben – der stich ist abscheulich,14 alles dieses benuzen sie, sie sehen daß wir sie auf jeden Fall in Händen haben, und gerichtlich belangen können –

Nb: jede se[l]bst persönliche Maaßregel wieder A. ist mir recht –

An Breitkopf und Härtel in Leipzig.



1 Beethoven hatte den Sommer 1802 in Heiligenstadt verbracht und war am oder kurz nach dem 10. Oktober nach Wien zurückgekehrt.

2 Op. 29.

3 Die Ausgabe von Breitkopf & Härtel wurde nach den Druckbüchern des Verlags erst am 29.12.1802 fertiggestellt, war aber schon am 6.10.1802 als "bis Ende Oktobers" erscheinend angekündigt worden, s. AMZ 5 (1802/03), Intelligenzblatt II, Sp. 6.

4 Hier und in der folgenden Korrespondenz wird stets von einem "Nachstich" gesprochen. Tatsächlich handelt es sich aber um einen von der Härtelschen Ausgabe unabhängigen "Raubstich" , der, wie mehrfach dargelegt wird, auf einer Abschrift aus dem Besitz des Grafen Fries fußt, s. auch TDR II, S. 261 – 268 und 587 – 607; Gustav Nottebohm, Zur Geschichte einer alten Ausgabe , in: Beethoveniana, Leipzig 1872, S. 3 – 6; Rosemary Hilmar, Der Musikverlag Artaria & Comp. Geschichte und Probleme der Druckproduktion , Tutzing 1977, S. 67 – 71; s. auch Brief 119 .

5 Graf Moritz von Fries hatte das Streichquintett op. 29 wahrscheinlich in Auftrag gegeben und besaß seit etwa Oktober 1801 eine Abschrift davon.

6 9.11.1802.

7 Möglicherweise op. 34 und op. 35, die Beethoven schon Breitkopf & Härtel angeboten hatte.

8 Gemeint ist vielleicht der weiter unten erwähnte " Sonnleitner", s. Anm. 10.

9 Vielleicht ist die in dieser Zeit vollendete Klaviersonate op. 31 Nr. 3 gemeint, die aber schon Hans Georg Nägeli zugesagt war.

10 Vermutlich zu identifizieren mit dem Hof- und Gerichtsadvokaten Dr. Ignaz Sonnleithner (1770 – 1831). Aus Brief 120 (8.12.1802) geht hervor, daß Beethoven in der vorliegenden Angelegenheit sofort einen "Advokaten" hinzugezogen hat. In Frage kommt auch Ignaz Sonnleithners älterer Bruder Joseph (1766 – 1835), der ebenfalls Jurist und als Gesellschafter des Kunst- und Industrie-Comptoirs gut mit Beethoven bekannt war. Er war allerdings nicht als Advokat, sondern in dieser Zeit als Konzipist an der k.k. Hofkammer tätig.

11 Am 27.8. mit Wirkung vom 1.9.1802 hatte Carlo Artaria seine Firma Artaria & Comp. zu gleichen Teilen an Tranquillo Mollo und Domenico (III.) Artaria verkauft. Carlo Artaria blieb aber weiterhin in dem Geschäft tätig, und er war es, der den erwähnten "Revers" unterschrieben und den Verlag später (1803) bei der Oberpolizeidirektion in der vorliegenden Angelegenheit vertreten hat. Domenico Artaria war bereits seit dem 20.10.1801 Gesellschafter in Mollos Firma T.Mollo & Comp. Obwohl beide Firmen in der Gesellschaftsrechnung vereinigt waren, bestanden sie "buch- und firmenmäßig" in zwei getrennten Lokalen nebeneinander fort. Am 20.10.1804 wurde die Gesellschaft der beiden Kompagnons gelöst, s. Friedrich Slezak, Beethovens Wiener Originalverleger , Wien 1987, S. 14f.

12 Offenbar auf der Kopistenabschrift, die Breitkopf & Härtel als Stichvorlage diente.

13 Artarias Ausgabe von op. 29 ist tatsächlich mit dieser Verlagsangabe erschienen, s. KH S. 72.

14 Beethoven hat diese Exemplare, nach Ries waren es 50, anscheinend auf die Zusicherung erhalten, daß er sie revidieren und korrigieren wolle. Ries soll die Korrekturen in Beethovens Auftrag so grob ausgeführt haben, daß die Exemplare nicht mehr zu gebrauchen waren, s. Wegeler/ Ries S. 120.


© 1998 G. Henle Verlag, München