119. Kaspar Karl van Beethoven an Breitkopf & Härtel in Leipzig
Wien 5 Xber [= Dezember] 1802
P.P.
Sie haben an meinen Bruder einen Brief geschrieben, der allenfals an einen Schulknaben, aber nicht an einen Künstler wie Beethoven ist, past;1 Sie werden an Hrn Haiden keinen solchen wagen, und wann Sie nur in der Folge eine Note erwarten, so suchen Sie ihn zu besänftigen, denn ich habe schon die 50 # an Hrn Kunz, und soll Sie unverzüglich abführen. Ich habe schon 2 heftige Stürme wegen Ihnen gehabt, weil ich ihm vorstellte, daß, das, was Sie geschrieben nur in der ersten Hitze gesche[h]en wäre, und nicht so überlegt sey, werde aber wahrscheinlich noch den Hrn Hofmeister vom Grf Schönfeld zu ihm schicken müssen (denn er gut leiden kann), um i[h]n einigermaßen etwas zu besänftigen.
Endlich werde ich Ihnen auch die Art wie <wir> mein Bruder seine Werke verhandelt bekannt machen. Wir haben bereits 34 Werke und gegen 18 Nro herraus, diese Stücke sind meistens von Liebhaber bestellt worden, und mit folgendem Kontrackt:
Derjenige welcher ein Stück haben will bezahlt dafür, daß er es ein halbes, oder ganzes Jahr, oder auch länger allein hat eine bestimmte Summe, und macht sich verbindlich keinem das Manuschript zu geben, nach dieser Zeit steht es dem Autor frei, damit zu machen was er will. Dieses nämliche Verhältniß war bey Grf Frieß. Nun hat Hr Grf Frieß einen gewissen Conti zum Geigenmeister, an diesen hat sich Artaria gewendet, und dieser hat zu Grf Frieß (wahrscheinlich um 8 oder 10 #) gesagt, das Quintett wäre schon gestochen, und überal[l] zu haben. Jezt hat Grf Frieß geglaubt das nichts mehr damit zu verliehren sey, und hat es ohne uns etwas davon zu sagen, gegeben.
Uibrigens mein Hr nehmen Sie mir es nicht uibel, daß ich es Ihnen sage wie ich es finde, denn ein offnes Herz zeigt einen offnen Sinn, war die Art wie Sie sich beliebten auszudrücken, für einen Handwerker aber noch mehr beleidigend für einen Beethoven, Sie hätten ohne ihr Recht zu beeinträchtigen immer den höflichen Ton statt einem grobe[n] erwählen können, denn Beethoven hat bis jezt auch Unter Verlegern einen Unterschied gemacht, wobey er Sie sehr von andern <unterschied> auszeichnete.
Jezt ist der Grf Frieß nicht hier, wird aber in 6 Tagen wieder <hier> kommen, dann werde ich Ihre Entschädigung auf eine oder die andere Art besorgen und gleich bekannt machen. Dann schicke ich Ihnen beyliegenden Revers von Artaria unterschrieben zur Einsicht, denn Sie mir gelegentlich zurück schicken werden. Dieser Revers kostete meinem Bruder 7ben Tage, wo er gar nichts thun konnte, mich unzählige Gänge und Unannehmlichkeiten, und den Verlust meines Hundes, wobey mein Bruder wohl einen Dank, aber keinen solchen Brief verdient hätte, denn wer kann für Zufälle und schlechte Leute? er ist kein Gott, der alles vorauß wissen kann.
Wegen Grf Braun verlange ich, das Sie sich an die Kunst- und Industriehandlung in Wien um Auskunft wenden, denn mir ist es zu unbedeutend mich hierüber weiter auszulassen.
Uiberhaupt aber haben Sie sich ganz in meines Bruders Karackter, und in meiner Ehrlichkeit geirrt. Denn durch mich gehen ganz allein alle Geschäften meines Bruders, er überläst mir alles was Merkantill ist zu meiner Disposition .
Ich glaube gern daß Sie oft Ursach mögen haben bey manchen Kompositeur das schlechteste zu denken, weil es <ihre> in diesem Fache auch welche giebt die mehr aus Geitz als Noht mehreren zugleich ein Werk verkaufen, aber bey uns ist dies wirklich nicht der Fall.
ihr K. v Beethoven
1
Brief 112 vom 20.11.1802.
2
Das Honorar für die Variationen op. 34 und op. 35.
3
Georg August Griesinger; er war Hofmeister bei Graf Johann Hilmar Adolph von Schönfeld.
4
Beethoven versah die bedeutenderen seiner Werke mit Opuszahlen, die in seinen Augen geringeren, wie die Klaviervariationen, nur mit Nummern, s. Brief 123 .
5
Op. 29.
6
Das Original des "Revers" ist nicht erhalten. Eine Abschrift Beethovens findet sich in Brief 110 vom 13.11.1802.
7
Im Original besonders weit geschrieben.
8
Im Sommer 1802 ging das Gerücht um, zwei für den Grafen Browne komponierte Märsche Beethovens seien unrechtmäßigerweise zum Stich gegeben worden, s. Brief 96 an Ferdinand Ries. Offenbar spielt Härtel in seinem Schreiben vom 20.11.1802 (Brief 112) darauf an. Wie Kaspar Karl van Beethoven stellte sich auch Griesinger in dieser Angelegenheit ganz auf Beethovens Seite, s. Brief 120 .
9
Offenbar eine Anspielung auf Haydn, vgl. Brief 120 .