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Editorische Zeichen in den Brieftexten

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Ungebräuchliche und schwer verständliche Abkürzungen im Brieftext werden in eckigen Klammern [ ] aufgelöst. Die gängigen Abkürzungen und Zeichen für Münzen und Währungen bleiben unverändert. Nicht aufgelöst werden auch die geläufigen Abkürzungen bei Tempo- und Instrumentenbezeichnungen wie Allo, Andte, Vno(Violino) und Vcello(Violoncello).

Wurde ein Dokument im Laufe der Überlieferung getrennt und befindet sich nur ein Teil im Beethoven-Haus Bonn, ist dieser Teil in der Übertragung fett wiedergegeben.

Abkürzungen in den Brieftexten

  • # Dukaten
  • sfl., f., fr. Florin, Gulden
  • kr, xr, x Kreuzer
  • C.M., c.m. Konventionsmünze
  • W.W., w.w. Wiener Währung
  • BZ, B.Z. Bancozettel
  • £ Pfund Sterling
  • Rthlr Reichstaler
  • Thlr Taler
  • d.c. da capo
  • d.g., dgl. dergleichen
  • d.s. dal segno
  • etc. et cetera
  • mp, m.p. manu propria
  • Nb. Nota bene
  • P.P. Praemissis Praemittendis
  • P.S. Postscriptum
  • P.T. Pleno Titulo

Der nachgestellte Kommentar enthält den Quellennachweis sowie textkritische und erläuternde Anmerkungen. Für die häufiger zitierte Literatur werden Abkürzungen und Siglen verwendet.

176. Beethoven an Johann Friedrich Rochlitz1 in Leipzig

Vien am 4ten Jenner 1804 –

Ihr Buch2 , mein Verehrtester, erhalten sie durch Zaudern und SaumSeeligkeit desjenigen, der hier beym Wiedner Theater gleichfalls den Censor macht,3 so spät zurück – so glücklich ich mich auch geschäzt hätte, dasselbe in Musik sezen zu können, So ohnmöglich wär mirs jezt gewesen, wäre der Stoff nicht Zauberei; – so hätte mich ihr Buch aus einer augenblicklichen sehr großen Verlegenheit reißen können, indem ich mich mit Hr. Schikaneder4 ganz zertragen, dessen Reich denn wirklich durch das Licht der gescheiden und Sinnigen französischen opern gänzlich aus ist, mich hat er indessen ein ganzes halbes Jahr aufgehalten, und ich habe mich taüschen laßen, aus dem Grunde, daß ich gehofft, da man ihm TheaterEffekt nicht ganz absprechen kann, er werde etwas gescheideres als gewöhnlich zur Welt bringen, aber wie bin ich betrogen worden, zum Wenigsten hoffte ich, daß er sich würde die Versen und den Inhalt von einem andern Verbessern und verschönern laßen, aber umsonst, dieser so von sich eingennommen[e] Mann war nicht dazu zu bewegen, ich gabs nun auf mit ihm, obschon ich selbst mehrere Stüke gemacht hatte, stellen sie sich ein Römisches Süjet Vor (Wovon ich weder Plan noch sonst etwas erfahren konnte), und die sprache und Versen, wie unsere hiesigen Aepfel- weiber. – ich habe mir nun geschwind ein altes französisches Buch bearbeiten laßen,5 und fange jezt daran an zu arbeiten. – wäre ihre oper keine Zauber-Oper gewesen, mit beyden Händen hätte ich darnach gegriffen, aber das Publikum ist hier eben jezt so <da>wider d.g. eingenommen, als es sie vorher gesucht und gewünscht hat. –
Dieß ist auch die Meynung des Theater Censors, und dann daß so sehr gut man auch den ersten Akt finde, so könne man doch nicht ohne beyde Akte das ganze Süjet beuhrtehilen – laßen sie sich aber dadurch nicht abschrecke[n], sondern sobald sie einmal wieder eine neue Oper geschrieben haben, doch müste sie ganz seyn, so schicken sie sie nur, und seyn sie Versichert daß man sie ihnen auch gut honoriren wer[de]* indem der Eigenthümer des Wiedner-Theaters6 in allem, was zum theater Dient, eben nicht geizig ist. – mich freut es indessen auf diese Art ihre Bekanntschaft gemacht zu haben, und ich hoffe nicht, daß das jetzt vorgefallne unangenehme sie abschrecken werde, sich zuweilen meiner zu errinnern, und da, wo ich ihnen im stande bin, ihnen zu dienen, sich gleich an mich zu wenden – Ich könnte mich zwar ein bischen böse <nachri> auf sie stellen, daß sie so manche falsche Nachrichten von mir Einrücken lassen, aber nein – ich weiß, daß sie nur durch Unbekanntschaft mit der hiesiegen Lage und der großen Anzahl Feinde, die ich hier habe, so etwas thun können.

Leben sie wohl
ihr ergebenster Beethowen.
mit dem nächsten Postwagen kömmt ihr Manuscript .

von Wien
Herrn Herrn Friderich Rochlitz Herzog. Sachs. Weimar. Hofrath
Abzugeben bey Breitkopf und Härtel in Leipzig



1 Johann Friedrich Rochlitz (1769 – 1842), Schriftsteller, seit 1798 Redakteur der in Leipzig erscheinenden Allgemeinen Musikalischen Zeitung. 1818 gab er die Redaktion ab, blieb aber noch bis 1835 Mitarbeiter. Der vorliegende Brief belegt den ersten direkten Kontakt zwischen Rochlitz und Beethoven.

2 Nicht ermittelt; offenbar ein noch unvollendetes zweiaktiges Opernlibretto.

3 Gemeint ist möglicherweise Franz Karl Hägelin, der bis Dezember 1804 als Theaterzensor am Theater an der Wien fungierte, s. Karl Glossy, Zur Geschichte der Theater Wiens. I. (1801 bis 1820) , in: Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft 25 (1915), S. XX sowie ders., Zur Geschichte der Wiener Theatercensur. I , in: Jahrbuch der Grillparzer-Gesellschaft 7 (1896), S. 238 – 340.

4 Emanuel Schikaneder (1751 – 1812), Schauspieler, Theaterdichter, Librettist von Mozarts Zauberflöte und Peter von Winters Labyrinth. Von 1789 bis 1801 war er künstlerischer Direktor im Theater im Starhembergschen Freihause auf der Wieden, danach, 13.6.1801 bis 20.5.1802, im neuerbauten Theater an der Wien. Der sich in den Aufführungen französischer Opern (Cherubini: Lodoiska, Graf Armand, Medea) abzeichnende Geschmackswandel zwang ihn, sich auf den Posten eines Hausdichters und Schauspielers zurückzuziehen. Im Februar 1803 übernahm er erneut die künstlerische Leitung des Theaters, verkaufte aber am 9.2.1804 sein Privileg an Baron Peter von Braun, den Pächter der beiden Hoftheater und Käufer des Theaters an der Wien. Am 14.2.1804 wurde er entlassen, aber am 1.9.1804 wieder angestellt. Schikaneder schrieb für Beethoven das Libretto zu der heroischen Oper Vestas Feuer, an der dieser im Oktober 1803 zu arbeiten begann. Zu den Entwürfen s. JTW S. 141f., außerdem Willy Hess, "Vestas Feuer" von Beethoven und Schikaneder , in: Beethoven-Studien, Bonn, München- Duisburg 1972, S. 143 – 151.

5 Léonore ou l'amour conjugal von Jean Nicolas Bouilly. Die Übersetzung fertigte Joseph Sonnleithner an.

6 Bartholomäus Zitterbarth, s. Brief 177 Anm. 6 .


© 1998 G. Henle Verlag, München