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Ungebräuchliche und schwer verständliche Abkürzungen im Brieftext werden in eckigen Klammern [ ] aufgelöst. Die gängigen Abkürzungen und Zeichen für Münzen und Währungen bleiben unverändert. Nicht aufgelöst werden auch die geläufigen Abkürzungen bei Tempo- und Instrumentenbezeichnungen wie Allo, Andte, Vno(Violino) und Vcello(Violoncello).

Wurde ein Dokument im Laufe der Überlieferung getrennt und befindet sich nur ein Teil im Beethoven-Haus Bonn, ist dieser Teil in der Übertragung fett wiedergegeben.

Abkürzungen in den Brieftexten

  • # Dukaten
  • sfl., f., fr. Florin, Gulden
  • kr, xr, x Kreuzer
  • C.M., c.m. Konventionsmünze
  • W.W., w.w. Wiener Währung
  • BZ, B.Z. Bancozettel
  • £ Pfund Sterling
  • Rthlr Reichstaler
  • Thlr Taler
  • d.c. da capo
  • d.g., dgl. dergleichen
  • d.s. dal segno
  • etc. et cetera
  • mp, m.p. manu propria
  • Nb. Nota bene
  • P.P. Praemissis Praemittendis
  • P.S. Postscriptum
  • P.T. Pleno Titulo

Der nachgestellte Kommentar enthält den Quellennachweis sowie textkritische und erläuternde Anmerkungen. Für die häufiger zitierte Literatur werden Abkürzungen und Siglen verwendet.

302. Beethoven an die k.k. Hoftheaterdirektion

[Wien, vor dem 4. Dezember 1807]1

Löbliche k.k. Hof Theatral Direction!

Unterzeichneter darf sich zwar schmeicheln, während der Zeit seines bisherigen Aufenthaltes in Wien sich sowohl bey dem hohen Adel, als auch dem übrigen Publikum einige Gunst, und Beyfall erworben, wie auch eine ehrenvolle Aufnahme seiner Werke im Inn- und Auslande gefunden zu haben.
Bey all dem hatte er mit Schwierigkeiten aller Art zu kämpfen, und war bisher nicht so glücklich, sich hier eine Lage zu begründen, die seinem Wunsche ganz der Kunst zu leben, seine Talente zu noch höheren Graden der Vollkommenheit, die das Ziel eines jeden wahren Künstlers seyn muß, zu entwükeln, und die bisher blos zufälligen Vortheile für eine unabhängige Zukunft zu sichern, entsprochen hätte.
Da überhaupt dem unterzeichneten von jeher nicht so sehr Brod-Erwerb, als vielmehr das Interesse der Kunst, die Veredlung des Geschmacks, und der Schwung seines Genius nach höheren Idealen und nach Vollendung zum Leitfaden auf seiner Bahn diente: so konnte es nicht fehlen, daß er oft den Gewinn und seine Vortheile der Muse zum Opfer brachte. Nichtsdestoweniger erwarben ihm Werke dieser Art einen Ruf im fernen Auslande, der ihm an mehreren ansehnlichen Orten die günstigste Aufnahme, und ein seinen Talenten und Vortheilen angemessenes Loos verbürgt.
Demungeachtet kann unterzeichneter nicht verhehlen, daß die vielen hier vollbrachten Jahre, die unter hohen und niedern genossene Gunst und Beifall, der Wunsch jene Erwartungen, die er bisher zu erregen das Glück hatte, ganz in Erfüllung zu bringen, und er darf es sagen, auch der Patriotismus eines Deutschen ihm den hiesigen Ort gegen jeden andern schätzungs- und wünschenswerther machen.
Er kann daher nicht umhin, eh er seinen Entschluß, diesen ihm werthen Aufenthalt zu verlassen, in Erfüllung setzt, dem Winke zu folgen, den ihm Se Durchlaucht der regierende Herr Fürst von Lobkowitz zu geben die Gütte hatte, indem er äußerte, eine löbliche Theatral Direction wäre nicht abgeneigt, den unterzeichneten unter angemessenen Bedingungen für den Dienst der ihr unterstehenden Theaters zu engag iren, und dessen fernern Auffenthalt mit einer anständigen der Ausübung seiner Talente günstigeren Existenz zu fixiren.2
Da diese Äußerung mit des Unterzeichneten Wünschen vollkommen überein stimmt: so nimmt sich derselbe die Freyheit, sowohl seine Bereitwilligkeit zu diesem Engagement als auch folgende Bedingungen zur beliebigen Annahme der löbl Direction geziemendst vorzulegen:
1tens Macht sich derselbe anheischig und verbindlich jährlich wenigstens eine große Oper, die gemeinschaftlich durch die löbliche Direction durch den Unterzeichneten gewählt würde, zu komponiren, dagegen verlangt er eine fixe Besoldung von jährlichen 2.400 fr nebst der freyen Einnahme zu seinem Vortheile bey der dritten Vorstellung jeder solchen Oper.
2tens Macht sich derselbe anheischig, jährlich eine kleine Operette , oder ein Divertissement, Choere , oder Gelegenheitsstücke nach Verlangen und Bedarf der löbl. Direction unentgeltlich zu liefern, doch hegt er das Zutrauen, daß die löbl. Direction keinen Anstand nehmen werde, ihm für derley besondere Arbeiten allenfalls einen Tag im Jahre zu einer Benefice Accademie in einem der Theatergebäude zu gewähren.
Wenn man bedenkt, welchen Kraft- und Zeitaufwand die Verfertigung einer Oper fordert, da sie jede andere Geistesanstrengung schlechterdings ausschließt; wenn man ferner bedenkt, wie in andern Orten, wo dem Autor und seiner Familie ein Antheil an der jedesmahligen Einnahme jeder Vorstellung zugestanden wird, ein einziges gelungenes Werk das ganze Glück des Autors auf einmahl begründet; wenn man ferner bedenkt, wie wenig Vortheil der nachtheilige Geld- Curs , und die hohen Preise aller Bedürfnisse dem hiesigen Künstler, dem übrigens auch das Ausland offen steht, gewährt: so kann man obige Bedingungen gewiß nicht übertrieben oder unmässig finden.
Für jeden Fall aber, die löbl. Direction mag den gegenwärtigen Antrag bestättigen und annehmen, oder nicht: so füget Unterzeichneter noch die Bitte bey, ihm einen Tag zur musikalischen Accademie in einem der Theatergebäude zu gestatten; denn im Falle der Annahme seines Antrages hätte Unterzeichneter seine Zeit und Kräfte sogleich zur Verfertigung der Oper nöthig, und könnte also nicht für anderweitigen Gewinn arbeiten. Im Falle der Nichtannahme des gegenwärtigen Antrages aber würde derselbe, da ohnehin die im vorigen Jahre ihm bewilligte Accademie wegen verschiedenen eingetrettenen Hindernissen nicht zu Stande kam,3 die nunmehrige Erfüllung des vorjährigen Versprechens als das letzte Merkmahl der bisherigen hohen Gunst ansehen, und bittet im ersten Falle den Tag an Maria Verkündigung,4 im zweiten Falle aber einen Tag in den bevorstehenden Weihnachtsfeyertägen dazu zu bestimmen.
Ludwig Van Beethowen

An die Löbl. kais. konigl. Hof-Theatral-Direction
Louis van Beethofen
Nebst vorläufigen Vorschlägen eines Engagements zugleich Bitte um Bewilligung eines Tags zur Accademie in einem der Theater gebäude.



1 Die Hoftheaterdirektion hat das vorliegende Gesuch laut Protokolleintrag am 4.12.1807 beraten und abgelehnt: " Beethoven wird nicht engagirt, hat sich aber zu erklären, was er für eine Oper u.s.w. verlange" (Wien, Haus-, Hof- und Staatsarchiv, Hoftheater S.R. 8, S. 235). Zur Datierung s. auch Max Unger, Beethoven und das Wiener Hoftheater im Jahre 1807 , in: NBJb 2 (1925), S. 76 – 83.

2 Am 1. Januar 1807 waren die beiden Hoftheater (Burgtheater, Kärntnertortheater) und das Theater an der Wien von der "Theater-Unternehmungs-Gesellschaft" (laut HSS 1807, I, S. 84: "Hoftheater-Pachtungs-Gesellschaft") übernommen worden. Ihr gehörten die Fürsten Nikolaus Esterházy, Joseph Johann von Schwarzenberg und Franz Joseph Maximilian Lobkowitz sowie die Grafen Franz und Franz Nikolaus Esterházy, Ferdinand Pálffy von Erdöd, Hieronymus Lodron und Stephan Zichy an. Fürst Lobkowitz war für die Leitung der Oper zuständig.

3 Vgl. Brief 262 , 267 , 268 , 274 , 275 und 291 .

4 25.3.1808.


© 1998 G. Henle Verlag, München