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Editorische Zeichen in den Brieftexten

  • <...> Streichung, Überschreibung, Löschung
  • [...] Herausgeberzusatz
  • +...+ Markierung längerer Passagen, auf die im Kommentar eingegangen wird, z.B. mehrfache Unterstreichung
  • +...+ Einfügungen des Schreibers mit Verweiszeichen im Original
  •  ... * Asterisk, Kennzeichnung von Textverlust durch Beschädigung der Handschrift

Ungebräuchliche und schwer verständliche Abkürzungen im Brieftext werden in eckigen Klammern [ ] aufgelöst. Die gängigen Abkürzungen und Zeichen für Münzen und Währungen bleiben unverändert. Nicht aufgelöst werden auch die geläufigen Abkürzungen bei Tempo- und Instrumentenbezeichnungen wie Allo, Andte, Vno(Violino) und Vcello(Violoncello).

Wurde ein Dokument im Laufe der Überlieferung getrennt und befindet sich nur ein Teil im Beethoven-Haus Bonn, ist dieser Teil in der Übertragung fett wiedergegeben.

Abkürzungen in den Brieftexten

  • # Dukaten
  • sfl., f., fr. Florin, Gulden
  • kr, xr, x Kreuzer
  • C.M., c.m. Konventionsmünze
  • W.W., w.w. Wiener Währung
  • BZ, B.Z. Bancozettel
  • £ Pfund Sterling
  • Rthlr Reichstaler
  • Thlr Taler
  • d.c. da capo
  • d.g., dgl. dergleichen
  • d.s. dal segno
  • etc. et cetera
  • mp, m.p. manu propria
  • Nb. Nota bene
  • P.P. Praemissis Praemittendis
  • P.S. Postscriptum
  • P.T. Pleno Titulo

Der nachgestellte Kommentar enthält den Quellennachweis sowie textkritische und erläuternde Anmerkungen. Für die häufiger zitierte Literatur werden Abkürzungen und Siglen verwendet.

350. Beethoven an Breitkopf & Härtel in Leipzig

Vien am 7ten Jenner 1809

Sie werden sagen, das ist dieser und jener und jener und dieser – das ist wahr seltnere Briefschreiber kanns nicht geben – sie haben doch die terzetten1 erhalten – Eins wissen sie war schon bey ihrer abreise2 fertig, ich wollte es aber erst mit dem Zweiten schiken dieses war auch schon ein paar Monathe fertig, ohn <ich>daß ich weiter dran dachte, ihnen solches zu schiken – endlich ist mir der W3 über den Hals gestürmt – Eine sehr gr[o]ße Gefälligkeit werden sie mir erzeigen und ich bitte sie innigst darum, daß sie alle Sachen, die sie von mir haben, nicht eher als bis Ostern herausgeben, indem ich Den Fasten Sicher bey ihnen eintreffe, auch laßen sie bis dahin keine von den neuen Sinfonien4 öffentlich hören – denn komme ich nach Leipzig so soll's ein wahres Fest seyn, mit dem Leipziger mir bekannten Bravheit und Guten Willen der Musiker diese aufzuführen – auch werde ich gleich allda die Correctur vornehmen –
endlich bin ich den von Ränken und Kabalen und Niederträchtigkeiten aller Art gezwungen, das noch einzige Deutsche Vaterland zu verlaßen auf einen Antrag Seiner koniglichen Majestät von Westphalen gehe ich als Kapellmeister mit einem jährlichen Gehalt von 600 Dukaten in Gold dahin ab5 – ich habe eben heute meine Zusicherung, daß ich komme, auf der Post abgeschikt, und erwarte nur noch mein Dekret,6 um hernach meine Anstalten zur Reise, welche über Leipzig gehen soll zu treffen – deswegen damit die Reise desto brillanter für mich sey, bitte ich sie, wenn es eben nicht gar zu Nachtheilig für sie ist, noch nichts bis ostern von allen neuen Sachen bekannt zu machen – bey der Sonate7 , welche an den Baron Gleichenstein dedicirt ist laßen sie gefälligst das k.k. Koncipisten8 weg, indem ihm solches nicht lieb ist – Es werden vieleicht wieder von hier wieder Schimpf-schriften über meine lezte Musikalische Akademie an die Musikalische Zeitung gerathen,9 ich wünschte eben nicht, daß man alles unterdrücken, was gegen mich, jedoch soll man sich nur überzeugen, daß Niemand mehr persönliche Feinde hier hat als ich, dies ist umso begreiflicher, da der Zustand der Musik hier immer schlechter wird – wir haben Kapellmeister die so wenig zu dirigiren wißen als sie kaum selbst eine Partitur lesen können – auf der Wieden10 ist es freylich noch am schlechtesten – da hatte ich meine Akademie zu geben, wobey mir von allen Seiten der Musik hindernisse in den Weg gelegt wurden – Das Wittwer-Konzert11 hatte den Abscheulichen Streich gemacht, aus Haß gegen mich, worunter Herr Salieri12 der erste, daß es jeden Musiker der bey mir spielte und in ihrer Gesellschaft War, bedrohte auszustoßen – ohnerachtet, daß verschiedene Fehler für die ich nicht konnte, vorgefallen, nahm das Publikum doch alles Enthusiastisch auf – troz dem aber werden Scribler von hier gewiß nicht unterlaßen wieder elends Zeug gegen mich in die Musikalische Zeitu[n]g zu schiken – Hauptsächlich waren die Musiker aufgebracht, daß indem aus Achtlosigkeit bey der einfachsten plansten Sache von der Welt gefehlt worden war, ich plözlich stille ließ halten, und laut schrie noch einmal – so was war ihnen noch nicht vorgekommen, das Publikum bezeugte hierbey sein vergnügen13 – Es wird aber täglich ärger, Tags zuvor meiner Akademie war +im Theater in der stadt+ in der kleinen leichten oper Milton14 das Orchester so auseinander gekommen, daß Kapellmeister und direktor und orchester förmlich schiffbruch litten – denn der Kapellmeister statt vorzuschlagen schlägt hinten nach, und dann kommt erst der Direktor – Antworten sie mir mein lieber gleich.

mit Hochachtung ihr ergebenste[r] Diener
Beethowen

Ich bitte sie von meiner Anstellung in Westphalen nichts mit Gewißheit öffentlich eher bekannt zu machen, als bis ich ihnen schreiben werde, daß ich mein Dekret erhalten –
leben sie wohl und schreiben sie mir bald – von neuen Werken sprechen wir in Leipzig – einige Winke könnte man immer in der Musikalischen Zeitung von meinem Weggehen von hier geben – und einige Stiche, indem man nie etwas rechtes hier hat für mich thun wollen –

An Breitkopf und Hertel in Leipzig



1 Gemeint sind die beiden Klaviertrios op. 70.

2 Gottfried Härtel hatte Beethoven im September 1808 in Wien besucht.

3 Gemeint ist wohl der schon in Brief 331 erwähnte Agent Wagener, nicht näher zu identifizieren.

4 Op. 67 und op. 68.

5 Napoleons Bruder Jérôme Bonaparte hatte Beethoven im Herbst 1808 als Kapellmeister an seinen Hof nach Kassel berufen, s. Brief 339 .

6 Weder Beethovens Schreiben noch ein Anstellungsdekret sind überliefert.

7 Op. 69.

8 Ignaz von Gleichenstein bekleidete seit November 1801 in Wien die Stelle eines k.k. Hofkriegskonzipisten im Kriegsministerium. Die Dedikation auf der dem Verlag gelieferten Stichvorlage lautete: "Große Sonate/für's Klawier/und Violonzell/Meinem Freunde k.k. Hofkonzipisten/ Baron von Gleichenstein gewidmet/von/ Ludwig van Beethoven" . Seit Dezember 1808 bereitete sich Gleichenstein auf eine längere geheimdienstliche Mission in Süddeutschland und Frankreich vor, weshalb er seinen Status als Beamter im österreichischen Kriegsministerium zu verbergen suchte.

9 Die AMZ berichtete am 25.1.1809 über Beethovens Akademie vom 22.12.1808 u.a.: "Was hingegen die Exekutirung dieser Akademie betrifft, so war sie in jedem Betracht mangelhaft zu nennen. [...] Am auffallendsten war aber das Versehen, welches in der letzten Fantaisie [op. 80] vorfiel. Die Blas-Instrumente variirten das Thema, welches Beethoven vorher auf dem Pianoforte vorgetragen hatte. Jetzt war die Reihe an den Oboen. Die Klarinetten – wenn ich nicht irre! – verzählen sich, und fallen zugleich ein. Ein kurioses Gemisch von Tönen entsteht: B. springt auf, sucht die Klarinetten zum Schweigen zu bringen: allein das gelingt ihm nicht eher, bis er ganz laut und ziemlich unmuthig, dem ganzen Orchester zuruft: Still still, das geht nicht! Noch einmal – noch einmal! und das gepriesene Orchester muss sich bequemen, die verunglückte Fantaisie noch einmal von vorn anzufangen" , s. AMZ 11 (1809), Sp. 268.

10 Gemeint ist das Theater an der Wien.

11 Am Tag von Beethovens Akademie, dem 22.12.1808, und am 23.12.1808 fanden im Burgtheater zwei Konzerte zugunsten des Witwen- und Waisen-Fonds der Tonkünstlersocietät statt.

12 Antonio Salieri war Vizepräsident der Tonkünstlersocietät.

13 Vgl. die Schilderung durch Johann Friedrich Reichardt, Vertraute Briefe, geschrieben auf einer Reise nach Wien und den Österreichischen Staaten zu Ende des Jahres 1808 und zu Anfang 1809, Amsterdam 1810, Bd. 1, S. 258.

14 Die Oper Milton von Gasparo Luigi Pacifico Spontini war am 27.12.1808 (also nicht "Tags zuvor") im Kärntnertortheater aufgeführt worden.


© 1998 G. Henle Verlag, München