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Editorische Zeichen in den Brieftexten

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Ungebräuchliche und schwer verständliche Abkürzungen im Brieftext werden in eckigen Klammern [ ] aufgelöst. Die gängigen Abkürzungen und Zeichen für Münzen und Währungen bleiben unverändert. Nicht aufgelöst werden auch die geläufigen Abkürzungen bei Tempo- und Instrumentenbezeichnungen wie Allo, Andte, Vno(Violino) und Vcello(Violoncello).

Wurde ein Dokument im Laufe der Überlieferung getrennt und befindet sich nur ein Teil im Beethoven-Haus Bonn, ist dieser Teil in der Übertragung fett wiedergegeben.

Abkürzungen in den Brieftexten

  • # Dukaten
  • sfl., f., fr. Florin, Gulden
  • kr, xr, x Kreuzer
  • C.M., c.m. Konventionsmünze
  • W.W., w.w. Wiener Währung
  • BZ, B.Z. Bancozettel
  • £ Pfund Sterling
  • Rthlr Reichstaler
  • Thlr Taler
  • d.c. da capo
  • d.g., dgl. dergleichen
  • d.s. dal segno
  • etc. et cetera
  • mp, m.p. manu propria
  • Nb. Nota bene
  • P.P. Praemissis Praemittendis
  • P.S. Postscriptum
  • P.T. Pleno Titulo

Der nachgestellte Kommentar enthält den Quellennachweis sowie textkritische und erläuternde Anmerkungen. Für die häufiger zitierte Literatur werden Abkürzungen und Siglen verwendet.

439. Beethoven an Franz Gerhard Wegeler in Koblenz

Vien am 2ten May 1810

Guter alter Freund – beynahe kann ich es denken erwecken meine Zeilen Staunen bey dir – und doch, obschon du keine schriftliche Beweise hast, bist du doch noch immer bey mir im lebhaftesten Andenken – Unter meinen Manusc<hriften>ripten ist selbst schon lange Eins, was dir zugedacht ist, und was du gewiß noch diesen Sommer erhälst1 – seit ein 2 Jahren hörte ein stilleres ruhigeres Leben bey mir auf, und ich ward mit gewalt in das Weltleben gezogen, noch habe ich kein Resultat dafür gefaßt, und vieleicht eher dawider – doch auf wen mußten nicht auch die Stürme von außen Wirken? Doch ich wäre glüklich, vieleicht einer der Glüklichsten Menschen, wenn <ich> nicht der Dämon in meinen Ohren seinen Aufenthalt aufgeschlagen – hätte ich nicht irgendwo gelesen, der Mensch dörfe nicht freywillig scheiden von seinem Leben, so lange er noch eine gute That verrichten kann, längst wär ich nicht mehr – und zwar durch mich selbst – o so schön ist das Leben, aber bey mir ist es für immer vergiftet –
du wirst mir eine Freundschaftliche Bitte nicht abschlagen, wenn ich dich ersuche mir meinen Taufschein zu besorgen2 – was nur immer für Unkosten dabey sind, da <mit> Steffen Breuning mit dir in Verrechnung steht, so kannst du dich da gleich bezahlt machen, so wie ich hier an Steffen gleich alles ersezen werde – solltest du auch selbst es der Mühe werth halten, der sache nachzuforschen, und es dir gefallen, die reise von Koblenz nach Bonn zu machen, so rechne mir nur alles an – Etwas ist Unterdessen in Acht zu nehmen, nemlich: daß noch ein Bruder früherer Geburt vor mir3 war, der ebenfalls Ludwig hieß nur mit dem Zusaze "Maria"4 , aber gestorben, um mein gewisses Alter zu bestimmen, muß man also diesen erst finden, da ich ohnedem schon weiß, daß <von> durch andere hierin ein Irrthum entstanden, da man mich als älter angegeben als ich war – leider habe ich eine Zeitlang gelebt, ohne <je> selbst zu wissen wie alt ich bin – Ein FamilienBuch hatte ich, aber es hat sich verlohren, der Himmel weiß, wie – also laß dich's nicht verdrießen, wenn ich dir diese sache sehr warm emphele, den Ludwig Maria, und den jezigen nach ihm gekommenen Ludwig ausfindig zu machen – Je bälder du mir den Taufschein schikst,5 desto größer Meine Verbindlichkeit – man sagt mir, daß du in euren Freymaurerlogen ein lied von mir singst, vermuthlich in E dur , und was ich selbst nicht habe, schick mir's, ich verspreche dir's drey und vierfaltig auf eine andere Art zu ersezen6

denke mit einigem Wohlwollen an mich, so wenig ich's dem äußern scheine nach um dich verdiene – Umarme küße deine verehrte Frau7 , deine Kinder8 , alles was dir lieb ist – im Namen deines Freundes
Beethown



1 Wegeler merkt an: "Mein Loos hierin war auch jenes seines Schülers Ries; die Dedication blieb in den Briefen. Sind diese aber nicht höheren Werthes?" Siehe Wegeler/ Ries S. 47.

2 Wegeler erläuterte später (1845) mit einem Zitat aus einem Brief Stephan von Breunings, den dieser "drei Monate" nach Beethovens Schreiben an ihn gerichtet hatte: " Beethoven sagt mir alle Woche wenigstens einmal, daß er Dir schreiben will; allein ich glaube, seine Heiraths-Parthie hat sich zerschlagen, und so fühlt er keinen so regen Trieb mehr, Dir für die Besorgung des Taufscheins zu danken" , s. Franz Gerhard Wegeler, Nachtrag zu den biographischen Notizen über Ludwig van Beethoven , Koblenz 1845, S. 14. Beethovens Heiratspläne galten offenbar Therese Malfatti.

3 "früherer Geburt" und "mir" doppelt unterstrichen.

4 Ludwig Maria van Beethoven, getauft am 2.4.1769, gestorben am 8.4.1769.

5 Wegeler erfüllte Beethovens Wunsch und beschaffte ihm die folgende Taufurkunde (Bonn, Beethoven-Haus, Slg. H.C. Bodmer Br 282):

" Departement de Rhin et Moselle
Mairie de Bonn
Extrait du Registre de Naissances de la Paroisse de St Remy à Bonn
Anno millesimo septingentesimo Septuagesimo die decima septima Decembris baptizatus est L<o>udovicus. Parentes D. Joannes van Beethoven, et Helena Keverichs, conjuges, <Parentes>Patrini D. Lodovicus van Beethoven et Gertrudis Müllers dicta Baums.
Pour Extrait Conforme Delivré à la Mairie de Bonn
Bonn le 2 Juin 1810
L'adjoint delegué Müller
[Von anderer Hand:]
Vu par nous
President du Tribunal Civil de l'arrondissement de Bonn pour legalisation de la Signature d'autre part du Sieur Muller adjoint de la mairie de Bonn.
Donnè en notre hotel à Bonn le 2 Juin 1810.
[unleserliche Unterschrift]
Par ordonnance
Groeninger
[C. Goffier]
[Vermerk links daneben unter einem Stempel:]
droits de 9 fr 25c.
[Vermerk links neben dem Haupttext:]
approuvé le mot surchargé ci contre ".

Beethoven war von der Korrektheit des Taufregisterauszuges nicht überzeugt und notierte auf der Rückseite:
"Es scheint der Taufschein nicht richtig, da noch ein ludwig vor mir, eine Baumgarten war glaube ich meine Pathe.
ludwig van Beethowen
1772" [rechts daneben]

6 Dazu Anmerkung in Wegeler/ Ries, S. 47: " Beethoven ist hier im Irrthum; es war nicht ein eigenes von ihm componirtes Lied, was er nicht mehr hatte, sondern nur ein anderer dem Opferlied von Matthisson [WoO 126] unterlegter Text. Gleiches unternahm ich bei dem von ihm sehr früh componirten Lied: Wer ist ein freier Mann? [WoO 117]" . Die beiden unterlegten Texte druckte Wegeler im Anhang, S. 67ff., ab.

7 Eleonore geb. von Breuning.

8 Helene (1803 – 1832) und Julius Wegeler (1807 – 1883).


© 1998 G. Henle Verlag, München