464. Beethoven an Breitkopf & Härtel in Leipzig
[Baden, Anfang August 1810]
P.P.
Aus der Bestättigung daß die erste Abtheilung meiner neuern Werke bis 1 Sept. d. J. in London erscheinen soll, (was jedoch noch sehr zweifelhaft ist) folgt noch keineswegs, daß davon Exemplare in der Mitte desselben Monaths auf dem Continent sein könnten. Ich stehe selbst in Verbindung mit England, & weiß mit welchen Schwierigkeiten, vorzüglich seit der neuern allgemeinen Sperrung alles Verkehrs, die Ein- und Ausbringung von Musikalien verbunden ist, & wieviel Zeit sie kostet. Der ungeheuren Spesen nicht zu gedenken, bey denen kein deutscher Verleger seine Rechnung finden kann. – Die Londner Auflage ist für den Continent soviel als nicht existirend , & dieser Grund Ihrer Weigerung – mir für diese Parthie meiner neuern Werke # 250, statt den angebottenen # 200 – Honorar zu bezahlen – kömmt Ihnen also nicht zu statten. Auch sind Sie der irrigen Meinung daß ich diese Parthie auch nach Frankreich geschickt hätte; in welchem Falle Sie wohl recht hätten zu glauben Ihre Auflage wäre dadurch beeinträchtigt. Indessen versichere ich Sie daß ich von dieser Parthie gar nichts nach Frankreich verkauft habe. Sie sind der einzige Besitzer derselben auf dem Continent , & es wird nur von Ihnen abhängen sich mit einem französischen Kunsthändler zu zu associren & ein Exemplar dieser Werke in der Bibliotheque nationale niederlegen zu laßen, worauf sie Ihnen, nach den bestehenden Anordnungen von niemanden in dem französischen Staate darf nachgedrukt werden. Ubrigens erhalten Sie bey dieser Parthie die von mir jüngst componirte Musick zum Trauerspiel Egmont die ich nicht einmahl nach England! verkauft habe, & für die ich allein die Summe , um welche ich den Preis erhöhte, verlangen könnte, & auch anderswo bekäme; aber ich gebe Ihrer Handlung den Vorzug vor allen andern deutschen, & erwarte also daß Sie nicht länger anstehen werden in mein Verlangen zu willigen. Um sie noch mehr von meiner Aufmerksamkeit für Ihr Interesse , & von dem Vorzug den ich Ihnen vor jedem andern gebe zu überzeugen, will ich Ihnen einige Ideen einer großen Spekulazion mittheilen die ich nächstens <zu> unternehmen werde. – Ich bin nähmlich gesonnen eine von mir authentisirte Auflage meiner sämtlichen Werke, & wenn wir einig werden; unter Ihrer Haupt firma herauszugeben. Ich habe bereits einige Anträge die deshalb mir von verschieden Seiten gemacht wurden ausgeschlagen, da ich bisher noch immer mit Ihnen zufrieden war, & es auch bey dem erwähnten Fall sein zu können hoffe. –
Um diese Auflage allgemein, & größern Nutzen zu machen, wäre es nach meiner Meinung sehr gut wenn Sie sie etwa in Gesellschaft & unter den Neben firmen eines hiesigen und eines pariser Hauses unternähmen. Geschähe dieses so könnte man leicht für die österreichischen Staaten ein Privilegium bekommen wofür ich mich besonders verwenden werde, & dessen Erhaltung wir versichert sein könnten; dasselbe geschähe auch in Frankreich sobald ein Exemplar dieser Collection dort deponirt würde & so wären Sie vor jedem Nachdruk gesichert & eines grossen Nutzens gewiß. Die Auflage müßte gestochen, & nicht etwa mit Typen gedrukt werden. – Ich würde jeden Bogen gegen ein Honorar worüber wir uns verstehen müßten genau nachsehen, hie & da Veränderungen anbringen, kurz meinerseits alles mögliche beitragen ein richtiges, correctes & permanentes Werk zu liefern; gegen dasselbe Honorar würde ich auch jene Compositionen die ich in der Folge herausgeben werde immer einige Zeit nach der Erscheinung für diese Sammlung liefern. –
Sagen Sie mir in RückAntwort gefäll. Ihre Meinung über diesen Plan von dem ich Ihnen nur einige Grundideen angegeben habe; ich zweifle nicht daß wir uns über diese Unternehmung einverstehen werden. –
Die 2te Abtheilung der oben erwähnten Parthie geht nächstens an Sie ab die Musick zu Egmont befindet sich dabey.
Nb. ist von einem guten Freunde von mir an sie doch schon ziemlich lange geschrieben
1
Das Schreiben stellt eine Antwort auf Härtels Brief vom 11.7.1810 dar (Brief 456), der gegen Ende Juli in Wien eingetroffen sein dürfte. Nach Beethovens Anmerkung ist es "schon ziemlich lange" vor seinem eigenen Brief vom 21.8.1810 (Brief 465) zu Papier gebracht worden, dem es beigelegt wurde.
2
Op. 74 – 79, s. Brief 451 .
3
Vgl. Brief 456 .
4
Am 5.8. (und 12.9.) 1810 hatte Napoleon eine Verschärfung der Kontinentalsperre verfügt, die seit 1806 gegen England errichtet worden war.
5
Op. 84.
6
Die zweite Lieferung sollte die Stichvorlagen von op. 73, op. 80 und op. 83 enthalten, s. Brief 451 vom 2.7.1810.
7
Franz Oliva.