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Ungebräuchliche und schwer verständliche Abkürzungen im Brieftext werden in eckigen Klammern [ ] aufgelöst. Die gängigen Abkürzungen und Zeichen für Münzen und Währungen bleiben unverändert. Nicht aufgelöst werden auch die geläufigen Abkürzungen bei Tempo- und Instrumentenbezeichnungen wie Allo, Andte, Vno(Violino) und Vcello(Violoncello).

Wurde ein Dokument im Laufe der Überlieferung getrennt und befindet sich nur ein Teil im Beethoven-Haus Bonn, ist dieser Teil in der Übertragung fett wiedergegeben.

Abkürzungen in den Brieftexten

  • # Dukaten
  • sfl., f., fr. Florin, Gulden
  • kr, xr, x Kreuzer
  • C.M., c.m. Konventionsmünze
  • W.W., w.w. Wiener Währung
  • BZ, B.Z. Bancozettel
  • £ Pfund Sterling
  • Rthlr Reichstaler
  • Thlr Taler
  • d.c. da capo
  • d.g., dgl. dergleichen
  • d.s. dal segno
  • etc. et cetera
  • mp, m.p. manu propria
  • Nb. Nota bene
  • P.P. Praemissis Praemittendis
  • P.S. Postscriptum
  • P.T. Pleno Titulo

Der nachgestellte Kommentar enthält den Quellennachweis sowie textkritische und erläuternde Anmerkungen. Für die häufiger zitierte Literatur werden Abkürzungen und Siglen verwendet.

474. Beethoven an Breitkopf & Härtel in Leipzig

Vien am 15ten Herbstmonath [= Oktober] 1810

Sehr Werther Herr!

Hier was den Anstand wegen demQuartet1 betrift, sie sehn, daß es bloß die Kleinigkeit ist, daß, indem das minore gleich zum erstenmal nach dem maggiore widerholt wird, der erste Theil des minore 2 mal, der zweite Theil desselben aber nur einmal darf gespielt werden d.h. ohne Widerholung2 – mit dem Lied von Faust3 ist es schwer zu dienen, da ich gar keine Abschrift davon habe – <der>das < Text > erste ist, daß alle Strophen müßen ausgeschrieben werden, nicht in den Abkürzungen, wie ich es gemacht habe, das sicherste Mittel ist, daß sie mir es auf ein kleines blättchen, worauf nur das obere Sistem des Klawiers und das sistem des gesanges geschrieben, schiken, wie sie es stechen, so werde ich schon sehen, obs recht
beym 2ten adagio +des quartets+ <in as > hatte ich etwas wegen dem tempo bemerkt,4 ist das auch beherzigt worden – sorgen sie ja und gehn sie doch ein, weswegen ich sie oft gebeten, schiken sie ein probe exemplar , aber auch die Manuskripte, man klagt über die Unrichtigkeit des Stichs, und ich habe bemerkt, daß auch die klärste schrift gemißdeutet wird – wir haben noch neulich die 4stimmigen Gesänge und andere von Haiden von ihnen gestochen5 durchgegangen und habe unglaubliche Fehler und auch viele derer gefunden – ist, was ich wegen der Sinfonie angegeben, geändert im dritten Stück 2 Täkte zuviel,6 ich erinnere mich dunkel, daß sie mich deswegen fragten,7 aber ich hatte vieleicht vergessen, ihnen dieses gleich zu beantworten, und so sind sie stehen geblieben –
warum ich die Manuskripte begehre mit dem probe exemplar ist, weil ich beynahe keins besize, weil wohl hier und da ein guter Freund mich darum begehrt, so hat die Partitur vom Konzert8 der Erzherzog und gibt sie mir nicht mehr wieder – ich bitte sie, obschon ich überzeugt bin, daß die Manuskripte diesmal gewiß so Richtig als nur Menschenmöglich sind, doch es nicht wieder wie bey den terzetten9 und andern sachen drauf ankommen zu laßen, Es ist auch unangenehm für den autor sein Werk nicht korrekt zu wissen – Nb : sollte sich bey dem lezten Stück beym Egmont nicht die überschrift SiegesSimphonie finden, so laßen sie dieses drüber sezen10 – eilen sie damit, und zeigen sie mir gefälligst an, sobald sie die original partitur nicht mehr brauchen, weil ich sie <dann>alsdenn bitten werde von Leipzig aus, sie anGöthe zu schicken, dem ich dieses schon angekündigt habe,11 ich hoffe, sie werden nichts dagegen einwenden, indem sie vermuthlich ein so großer Verehrer als ich von ihm seyn werden – ich hätte ihm von hier aus eine Abschrift geschikt, aber, da ich noch keinen so gebildeten Komponisten12 habe, auf den ich mich ganz verlaßen kann, und mir die Qual des übersehens gewiß ist, so habe ich es so für beßer und für mich weniger zeitverlierend gefunden –
Was die Variationen13 angeht "der titel: Veränderungen Seinem Freunde oliva gewidmet von etc in einigen Tägen erhalten sie die orgel Stimme zur Meße14 und die Posaunen zum oratorium15 sollte wohl ein richtiger mit der Musik gehender deutscher Text zu der Meße untergelegt werden können16
die oper lenore, <gewidmet> meinem Freunde dem Hr. Steffan von Breuning kaiserl. königl. HofSekretair beym HofkriegsRath gewidmet vom Verfasser Ludwig etc17
Die Messe gewidmet dem Herrn von Zmeskall18 Nb: hier müßen noch einige <ungarisirte> anhängsel folgen, die mir in dem Augenblik nicht einfallen – die Lieder19 der <gräfin> <fürstin Von Kynsky > Sr. Durchlaucht der Frau Fürstin Kynsky gebohrne Freyin von Kerpen. –
sie sollten das "ich denke dein" zu dieser sammlung hinzuthun,20 ich habe es so allein gestochen gesehn, und auch hier in irgendwo ein falscher Mordent angebracht, da ich's nicht habe, erinnere ich mich nicht wo21 – noch Eins: sie sollten "den Gesang aus der Ferne["]22 den ich ihnen einmal schickte nun gleich herausgeben Wenn's noch nicht geschehen ist, die Poesie ist von diesem lumpen Reißig, damals war es noch nicht heraus, und es währte beynahe ein halbes Jahr, bis dieser Lump es "wie er sagte" nur für seine Freunde <stech>gestochen gab bey artaria – ich schickte es ihnen auf der Briefpost und erhielt statt Dank stank
die 50 #23 können <wohl>sind angekommen, <seyn>, aber ich war noch nicht hier, und der Briefträger, wollte sie niemand andern anvertrauen – ich werde mich gleich erkundigen – mit nächster Post gehn alle andern Kompositionen, die zu schicken, an sie ab,24 sie können also mir die übrigen 100 # und noch 30 Thaler in KonwenzionsGeld übermachen, In Folge, daß sie mir in ihrem ersten Briefe gleich 80 Thaler25 <von>für Partituren angetragen, und sich nun selbst wieder auf nur 50 gemäß der Anweisung an Traeg heruntergesezt haben, so nehme ich zwar für 50 Thaler Partituren, aber ich bitte mir die 30 in Geld hier anzuweisen – hierzu, da ich ihnen doch schon manche Kleinigkeiten unentgeldlich gegeben, wofür sie mir die Musik. Zeitung und schon damals das offert einiger Partituren gemacht, können sie mir denn die Musik. Zeitung, die schon nach ihrem schreiben mehrmals für mich auf dem weg war einmal endlich für mich ankommen machen nebstbey mögte ich alle Werke von Karl Philip Emanuel Bach, die ja alle bey ihnen verlegt worden – nebstbey von J. Sebastian Bach eine missa worin sich folgendes Crucifixux mit einem Basso ostinato , der ihnen gleichen soll, befinden soll nemlich:26

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nebstbey sollen sie die Beste Abschrift haben von Bachs temperirten Klawier diese bitte ich mich auch anheim <mit>kommen zu lassen –
Hier haben sie das ultimatum von dem wird aber nichts nachgegeben, ich gebe sodann denn schein über das Eigenthumsrecht – ohnedem darf ich nicht laut werden laßen, was ich bekommen – Wegen der Herausgabe aller meiner Werke27 diese sache muß erst reiflicher überlegt werden, und ich werde mich dann hierüber näher erklären – satis est hoffe ich, merken sie alle Umstände, die ich beschrieben, und über die ich geschrieben – leben sie wohl und erfreuen sie mich bald mit ihren Zeilen

ihr ergebenster Diener und Freund
Beethowen
[Nachschrift]28

Es ist eine Abscheuliche Lüge, daß mir der Herr Rittmeister Reißig je etwas bezahlt habe für meine Kompositionen,29 ich habe sie ihm aus freundschaftlicher Gefälligkeit komponirt, indem er damals Krüppel und mein Mitleiden erregte – indem ich dieses schreibe erkläre ich Hr. Breitkopf und Hertel als einzigen Eigenthümer derjenigen Gesänge, welche +ich ihm Geschikt, und von welchen die Poesie von Rittmeister Reißig ist30

Vien am 15ten Herbstmonath 1810
Ludwig van Beethowen+



1 Beethoven bezieht sich auf den dritten Satz von op. 74, in dem entgegen seiner ursprünglichen Absicht die Takte 178 – 245 nicht wiederholt werden sollten. Siehe auch Brief 465 und 472 .

2 Die ganze Passage ist doppelt unterstrichen.

3 Gemeint ist das Flohlied op. 75 Nr. 3.

4 In Brief 465 vom 21.8.1810 hatte Beethoven die Anweisung gegeben, die Tempoangabe Adagio im zweiten Satz von op. 74 zu "Adagio ma non troppo" zu ergänzen. Dieselbe Ergänzung findet sich im Autograph des Satzes.

5 Vermutlich sind die drei- und vierstimmigen Gesänge gemeint, die Breitkopf & Härtel 1803 in ihrer Sammlung Oevres de J. Haydn als Heft 8 und 9 und auf Wunsch Haydns auch in einer Einzelausgabe herausgegeben hatten, s. Hob. XXV b Nr. 1 – 4, Drey- und vierstimmige/Gesaenge/mit Begleitung des Pianoforte/von/Joseph Haydn/Bey Breitkopf & Härtel in Leipzig .

6 In der Nachschrift zu Brief 465 hatte Beethoven die Streichung der überzähligen Primotakte 238a/239a angeordnet.

7 Wohl in einem nicht überlieferten Brief aus dem Jahre 1809, s. Beethovens Brief 370 vom 28.3.1809.

8 Op. 73; Erzherzog Rudolph besaß eine Kopistenabschrift.

9 Op. 70.

10 In der dem Verlag übersandten Partiturabschrift (heute Beethoven-Haus, NE 64) ist an entsprechender Stelle (S. 250) von fremder Hand vermerkt "Überschrift/Siegs-Sinfonie" .

11 Ein entsprechender Brief Beethovens an Goethe ist nicht nachzuweisen, die Ankündigung könnte aber auch mündlich durch einen gemeinsamen Bekannten erfolgt sein; s. Brief 493 .

12 Recte: "Kopisten".

13 Op. 76.

14 Beethoven hatte sie bereits am 4.2.1810 versprochen, s. Brief 423 .

15 Auch die Posaunenstimmen hatte Beethoven seit langem angekündigt, s. Brief 423 vom 4.2.1810, die Abschickung aber immer wieder verschoben.

16 Die Originialausgabe von op. 86 enthält tatsächlich einen dem lateinischen Messetext unterlegten deutschen Text des Theologen Christian Schreiber (1781 – 1857).

17 Der Klavierauszug der zweiten Fassung der Oper Fidelio op. 72 war schon im August 1810 erschienen. Die Widmung an Stephan von Breuning konnte daher nicht mehr berücksichtigt werden.

18 Die Messe wurde schließlich dem Fürsten Ferdinand Kinsky gewidmet.

19 Op. 75.

20 Das Lied Andenken WoO 136 war bereits im März 1810 in einer Einzelausgabe bei Breitkopf & Härtel erschienen.

21 Der "falsche Mordent" findet sich in der Originalausgabe (Breitkopf & Härtel PN 1526) in T. 49. Tyson erklärt den überflüssigen Doppelschlag als Mißdeutung des darüberstehenden Textwortes "o" ("o denke mein"), das im Autograph dem Zeichen für den Doppelschlag ähnelt, s. Alan Tyson, Prolegomena to a Future Edition of Beethoven's Letters , in: Beethoven Studies 2, hrsg. v. A. Tyson, London 1977, S. 18. Der Verlag korrigierte den Fehler in der zweiten Ausgabe des Liedes (PN 2699; erschienen um 1818).

22 WoO 137 war schon im Februar 1810 bei Breitkopf & Härtel als Einzelausgabe erschienen. Im Juli 1810 wurde es erneut als Teil einer Sammlung von Liedern auf Gedichte Christian Ludwig Reissigs bei Artaria veröffentlicht.

23 Am 24.9.1810 (Brief 469) hatte der Verlag eine Anweisung von 50 Talern Silbergeld zugesagt, die bei seinem Wiener Kommissär Traeg in Musikalien einzulösen waren.

24 Op. 81a, op. 82 und op. 83.

25 Am 20.6.1810 (Brief 447) hatte der Verlag Musikalien im Wert von "60 – 80" Talern angeboten.

26 Hohe Messe in h-Moll, BWV 232, Nr. 5, Crucifixus .

27 Vgl. Brief 464 vom 21.8.1810 und Brief 469 vom 24.9.1810.

28 Die Nachschrift wird in allen früheren Ausgaben als selbständiger Brief mit dem Datum 11. September bzw. 11. Oktober 1810 wiedergegeben. Die Ursache ist in Beethovens Tages- und Monatsangabe am Ende der Nachschrift zu sehen. Die "5" in "15" ist verfleckt und daher leicht zu verlesen, und die Bezeichnung "Herbstmonath" verwendet Beethoven abweichend vom normalen Sprachgebrauch, s. Alan Tyson, Prolegomena to a Future Edition of Beethoven's Letters , in: Beethoven Studies 2, London 1977, S. 7ff. Papier und Faltung der beiden Teile des Briefes stimmen überein.

29 Es ist fraglich, ob Beethovens Darstellung zutrifft. Die Stichvorlage von Artarias Ausgabe von WoO 137 (Berlin, Staatsbibliothek, Artaria 173) trägt von fremder Hand die Aufschrift: "Dieße Abschrift hat Bethoven mit/eigenen Bemerkungen an Reisig verkauft/und Reisig – hat an uns wieder verkauft" .

30 WoO 137, op. 75 Nr. 5 und op. 75 Nr. 6.


© 1998 G. Henle Verlag, München