1140. Beethoven an Ferdinand Ries in London
[Wien, 9. Juli 1817]
Lieber Freund!
Die in Ihrem werthen Briefe v. 9 Junius mir gemachten Anträge sind sehr schmeichelhaft. Aus Gegenwärtigem sollen Sie sehen, wie sehr ich sie würdige. Wäre es nicht in Ansehung meines unglücklichen Gebrechens, wodurch ich viel mehr Wartung und Unkosten bedarf, besonders auf der Reise und in einem fremden Lande, so würde ich den Vorschlag der philharmonischen Gesellschaft unbedingt annehmen.
Setzen Sie sich aber in meine Lage; bedenken Sie, wie viel mehr Hindernisse ich zu bekämpfen habe, als jeder andere Künstler, und urtheilen Sie dann, ob meine Forderungen unbillig sind. Hier sind sie, und ich bitte Sie, selbige den Herren Directoren benannter Gesellschaft mitzutheilen.
1) Ich werde in der ersten Hälfte des Monats Januar 1818 spätestens in London sein.
2) Die zwei großen Symphonieen, ganz neu componirt, sollen dann fertig sein, und das Eigenthum der Gesellschaft einzig und allein sein und bleiben.
3) Die Gesellschaft gibt mir dafür 300 Guineen und 100 Guineen für die Reisekosten, die mir aber weit höher kommen werden, da ich unumgänglich einen Begleiter mit mir nehmen muß.
4) Da ich gleich an der Composition dieser großen Symphonieen zu arbeiten anfange, so weiset mir die Gesellschaft (bei Annahme meiner Aeußerung) die Summe von 150 Guineen hier an, damit ich mich mit Wagen und anderen Vorrichtungen zur Reise ohne Aufschub versehen kann.
5) Die Bedingnisse wegen Nichterscheinen in einem anderen Orchester im Oeffentlichen, wegen Nichtdirigiren, wegen des Vorzuges der Gesellschaft bei gleichen Bedingnissen, sind von mir angenommen, und würden bei meiner Ehrliebe auch von sich selbst verstanden gewesen sein.
6) Ich darf auf den Beistand der Gesellschaft in der Einleitung und Beförderung eines oder nach Umständen mehrerer Benefice-Concerte für mich hoffen. Sowohl die besondere Freundschaft einiger Directoren Ihrer schätzbaren Reunion , als überhaupt die gütige Theilnahme aller Künstler für meine Werke bürget mir dafür, welches mich um so mehr beeifert, den Erwartungen derselben zu entsprechen.
7) Noch bitte ich, die Bewilligung oder Bestätigung des Obigen in englischer Sprache von drei Directoren unterzeichnet im Namen der Gesellschaft ausgefertigt zu erhalten.
Daß ich mich herzlich freue, den braven Sir George Smart kennen zu lernen, und Sie und Mr. Neate wiederzusehen, das können Sie sich wohl vorstellen. Möchte ich doch statt dieses Briefes selbst hinfliegen können!
Wien den 9te Julius 1817.
ihr aufrichtiger Verehrer u. Freund
l. v. Beethowen
Lieber Ries ich umarme sie von Herzen, ich habe mit Fleiß eine andere Hand zu dem <übri>obigen dieses Briefes genommen, damit sie alles beßer lesen, <kö> u. der gesellschaft vortragen können. von ihren guten Gesinnungen gegen mich bin ich überzeugt, ich hoffe, daß die P.[hilharmonische] G.[esellschaft] meinen vorschlag genehmigen werde, u. sie kann überzeugt seyn, daß ich alle Kräfte anwenden werde, mich des ehrenvollen Auftrags einer so auserlesenen Künstlergesellschaft auf die würdigste Art zu entledigen. – wie stark ist ihr Orchester, wie viel violinen etc etc mit einer oder zwei Harmonien? ist der Saal groß, klangreich?
Beeth[oven] g 13.
Wien, im Bürgerspi[tal No 1066]
Stock 2, N.o 13 [...]
à Monsieur Ferdinand] Ries Esq.r
[ches] Mess Goldschmidt & C.o
London.
1
Brief 1129 .
2
Die Philharmonische Gesellschaft hatte lediglich ein Honorar von 300 Guineen angeboten, von dem auch die Reisekosten zu bestreiten waren.
3
Außer Ries gehörten auch Charles Neate und Sir George Smart dem Direktorium der Philharmonischen Gesellschaft an.
4
Die Antwort auf Beethovens Schreiben ist nicht erhalten, sie wird in Brief 1170 vom 11.9.1817 an Zmeskall erwähnt.
5
Die Philharmonische Gesellschaft unterhielt bis 1932 kein ständiges Orchester. Der Stamm der Instrumentalisten rekrutierte sich aus den eigenen Mitgliedern. Fallweise wurden Musiker aus der Oper und anderen Theaterorchestern hinzuverpflichtet. Aufführungsort waren die Argyll Rooms in der Regent Street. Das Lokal brannte 1830 ab. Siehe New Grove Bd. 11, S. 198, Artikel London.