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Editorische Zeichen in den Brieftexten

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Ungebräuchliche und schwer verständliche Abkürzungen im Brieftext werden in eckigen Klammern [ ] aufgelöst. Die gängigen Abkürzungen und Zeichen für Münzen und Währungen bleiben unverändert. Nicht aufgelöst werden auch die geläufigen Abkürzungen bei Tempo- und Instrumentenbezeichnungen wie Allo, Andte, Vno(Violino) und Vcello(Violoncello).

Wurde ein Dokument im Laufe der Überlieferung getrennt und befindet sich nur ein Teil im Beethoven-Haus Bonn, ist dieser Teil in der Übertragung fett wiedergegeben.

Abkürzungen in den Brieftexten

  • # Dukaten
  • sfl., f., fr. Florin, Gulden
  • kr, xr, x Kreuzer
  • C.M., c.m. Konventionsmünze
  • W.W., w.w. Wiener Währung
  • BZ, B.Z. Bancozettel
  • £ Pfund Sterling
  • Rthlr Reichstaler
  • Thlr Taler
  • d.c. da capo
  • d.g., dgl. dergleichen
  • d.s. dal segno
  • etc. et cetera
  • mp, m.p. manu propria
  • Nb. Nota bene
  • P.P. Praemissis Praemittendis
  • P.S. Postscriptum
  • P.T. Pleno Titulo

Der nachgestellte Kommentar enthält den Quellennachweis sowie textkritische und erläuternde Anmerkungen. Für die häufiger zitierte Literatur werden Abkürzungen und Siglen verwendet.

1223. Beethoven an Nannette Streicher

[Wien, kurz vor dem 12. Januar 1818]1

was die B. [aberl] betrift, so geht sie montag2 in der Früh, zu Mittage kann also die andere oder Nachmittags gegen 2 oder 3 uhr, wie sie am besten<,> glauben, einstehen, die N. [any] hat mich heute gefragt, ob dieB.bleibe, ich sagte nein, sie könne höchstens bis Montag in der Frühe bleiben, übrigens habe ich guten Grund zu glauben, daß die N. <ihre>oder die andere ihre spionereyen in ihrem Hause fortsezt. – vorgestern Abend fing die N. an, mich auf ihre allem Mistvolk eigene Art des Laütens wegen aufzuziehen, sie wußte also schon, daß ich ihnen davon geschrieben, gestern Morgen giengen die Teufeleyen wieder an, ich machte kurzen spaß u. warf der B. meinen schweren sessel am Bette auf den Leib, dafür hatte ich den ganzen Tag ruhe, <d.g.>immer nehmen sie Rache an mir, so oft sie eine Korrespondenz verrichten müssen oder sonst etwas bemerken <...?>zwischen unß. – Was die Ehrlichkeit der N. anbelangt, so glaube ich sie nicht weit her, sie nascht gern, dies mag dazu beytragen – sobald das andere Mädchen da ist, werde ich in ihrer Gegenwart, sobald sie mich besuchen, die N. hereinrufen, u. meine Zweifel des KüchenBüchels wegen aüßern – Monathrechnungen gehn bey mir nicht eher an, bis alle Tage eine gewiße Anzahl { Personen bei mir speist, auch machten die Anschaffungen dies nicht möglich, aber daß ich allein beinahe so } viel Brauche, als wenn auch noch 2 Personen bey mir eßen, das hat seine richtigkeit – Wahrscheinlich werden wir zu Mittage immer zu dreyen außer den 2 Dienstbothen eßen – da der Lehrer meines Karls zu Mittage immer bey mir eßen wird, dem Himmel muß ich danken, daß ich überall Menschen finde, die sich besonders jezt meiner annehmen, so hat sich einer der ausgezeichnetesten Professoren an der hiesigenUniversität3 gefunden, der mir alles, was Karls Unterricht betrift, auf's beste {besorgt und anräth. – sollten sie bei Czerny4 mit diesen Gianatasischen zusammen kommen,} so wissen sie von gar nichts was mit meinemKarlgeschieht,5 sagen, Es sey meine Gewohnheit nicht, meine Vorsäze auszuplaudern, indem jeder ausgeplauderte Vorsaz einem schon nicht mehr zugehört, sie mögten sich ferner noch gerne einmischen, u. ich will sie diesealletags Menschen eben so wenig für mich als für Karl. – daß sie der N. gerne verzeihen, glaube ich auch, ich denke auch so, aber ich kann sie nun doch nicht mehr anders als eine Unmoralische Person betrachten, u. wir werden schon sehen, wie es sonst geht, aber gemeiniglich thut das, was nun schon vorgefallen, zwischen Herrn u. Dienstboten nicht gut mehr. – das nun eintretende KüchenMädchen bitte ich sie so zu unterrichten u. zu bearbeiten, daß sie ihnen u. Mir als Parthey gegen dieN.dient, dafür werde ich ihr manchmal etwas schenken, welches die andere nicht zu wißen braucht, ohnehin wird sie nicht so Naschhaft seyn, als die N. u. B., kurzum das Küchenmädchen muß als Gegenparthey der N. immer sich betragen, so wird die außerordentliche Frechheit Boßheit u. Niedrigkeit der N., die zwar jezt etwas gedämpft ist, auch nachlaßen, ich versichere sie, daß das mit der N. erlebte noch über manche gehabteBedientegeht. – alle fremde Besuche u. besonders von 1-ten Stock habe ich der N. gänzlich untersagt. – u. nun leben sie herzlich wohl, was die Dienstbothen angeht so ist nur eine sprache überall über ihre immoralität welches allem übrigen Unglück allhier zuzuschreiben, u. so dörfen sie nie von meiner Seite hierüber eine Kränkung erleiden können oder erwarten, dankbar werde ich alles anerkennen, was mir ihre Freundschaft dargebracht, mir ist es nur leid, daß ich unschuldigerweise an einer kleinen Entzündung in ihrem Hause schuld bin6 – statt der KlosterNeuburger Geistlichkeit7 segne ich sie. –

in Eil ihr Freund
Beethowen
die N. frug mich nebenbey, ob ich denn <eine>jemanden andern <auf die>an der Stelle der B. habe, ich antwortete ja.8



1 Das Datum des Briefes ergibt sich aus dem erwähnten Austritt der Küchenmagd " Baberl". Diese hätte eigentlich schon am Freitag, dem 9.1.1818, gehen müssen, da ihr am 27.12.1817 mit einer Frist von 14 Tagen gekündigt worden war. Die Frist wurde offenbar um das Wochenende bis zum Montag, dem 12.1.1818, verlängert. Der vorliegende Brief wurde demnach kurz zuvor, wohl am 10.1.1818, geschrieben.

2 Montag, der 12.1.1818.

3 Möglicherweise Anton Joseph Stein (1759 – 1844), Professor für lateinische Literatur und griechische Philologie an der Wiener Universität. Stein hatte den Text zu Beethovens Hochzeitslied für Anna Giannattasio del Rio (WoO 105) verfaßt. Beethoven könnte Stein im Hause Giannattasio kennengelernt haben. Er wohnte ebenfalls in der Vorstadt Landstraße, Nr. 511 in der Ungargasse. In seiner Eingabe an den Wiener Magistrat vom 1.2.1819 (Brief 1286) beruft sich Beethoven bezüglich seiner Unterrichtsmaßnahmen auf die Autorität der Professoren Stein und Simmerdinger (Pädagogik). Später erscheint der Name Stein einige Male in den Konversationsheften, s. BKh 1, S. 374, BKh 2, S. 280 und BKh 4, S. 211. Anderson (Nr. 885) identifiziert hingegen, wohl Kalischer (im Kommentar zu Brief Nr. 745) folgend, den fraglichen Universitätsprofessor mit Emerich Thomas Hohler (1781 – 1846). Hohler war Erzieher im Hause des Fürsten Joseph Johann Nepomuk Schwarzenberg und Lateinlehrer im Internat von Joseph Blöchlinger. An der Wiener Universität ist Hohler jedoch nicht nachweisbar. Auch scheint es, daß Beethoven von ihm erst 1820 gehört hat, s. BKh 2, S. 54f.

4 Carl Czerny. Er unterrichtete Beethovens Neffen im Klavierspiel.

5 Beethoven wollte seinen Neffen durch einen Hauslehrer, einen sogenannten "Hofmeister" , unterrichten lassen und nahm ihn daher am 24.1.1818 aus dem Internat Giannattasio, wo er seit Februar 1816 untergebracht war.

6 Vielleicht eine Anspielung auf die nicht näher bekannten Vorfälle Ende Dezember 1817, deretwegen Beethoven das Streichersche Haus nicht mehr betreten wollte, s. die Briefe 1201 und 1200 .

7 Nannette Streicher hatte sich Anfang Januar 1818 einige Tage in Klosterneuburg aufgehalten.

8 Um seine Haushälterin im ungewissen zu halten, hatte Beethoven ihr vorgespiegelt, er habe einen Bedienten aufgenommen. Tatsächlich hatte aber Nannette Streicher sofort nach der Kündigung der " Baberl" ein anderes Küchenmädchen verpflichtet.


© 1998 G. Henle Verlag, München