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Ungebräuchliche und schwer verständliche Abkürzungen im Brieftext werden in eckigen Klammern [ ] aufgelöst. Die gängigen Abkürzungen und Zeichen für Münzen und Währungen bleiben unverändert. Nicht aufgelöst werden auch die geläufigen Abkürzungen bei Tempo- und Instrumentenbezeichnungen wie Allo, Andte, Vno(Violino) und Vcello(Violoncello).

Wurde ein Dokument im Laufe der Überlieferung getrennt und befindet sich nur ein Teil im Beethoven-Haus Bonn, ist dieser Teil in der Übertragung fett wiedergegeben.

Abkürzungen in den Brieftexten

  • # Dukaten
  • sfl., f., fr. Florin, Gulden
  • kr, xr, x Kreuzer
  • C.M., c.m. Konventionsmünze
  • W.W., w.w. Wiener Währung
  • BZ, B.Z. Bancozettel
  • £ Pfund Sterling
  • Rthlr Reichstaler
  • Thlr Taler
  • d.c. da capo
  • d.g., dgl. dergleichen
  • d.s. dal segno
  • etc. et cetera
  • mp, m.p. manu propria
  • Nb. Nota bene
  • P.P. Praemissis Praemittendis
  • P.S. Postscriptum
  • P.T. Pleno Titulo

Der nachgestellte Kommentar enthält den Quellennachweis sowie textkritische und erläuternde Anmerkungen. Für die häufiger zitierte Literatur werden Abkürzungen und Siglen verwendet.

1311. Beethoven an den Magistrat der Stadt Wien

[Wien, 5. Juli 1819]

Wohllöblicher Magistrat!

Es ist der obervormundschaftlichen Behörde meines Neffen Carl van Beethoven erinnerlich, daß ich die – mir durch den letzten Willen meines seligen Bruders1 aufgetragene, und von den Landrechten sowohl als späterhin von dem Magistrate selbst zuerkannte ausschließliche Vormundschaft über denselben,2 vor einiger Zeit an den Herrn Magistratsrath Tuscher abgetreten habe,3 in der Absicht, durch einen solchen Mittelsmann alle weiteren Störungen von Seite der Mutter ein für alle Mahl zu beseitigen.
Der Erfolg hat leider nur zu schmerzlich bewiesen, daß meine oben bemerkte Absicht, die ich damals den Wünschen und Ansichten der obervormundschaftlichen Behörde unterordnete, nicht nur nicht erreicht, sondern gerade das Gegentheil bewirkt worden ist, indem die Mutter diese Neuerung für ihre rastlosen Gegenwirkungen nur um so schädlicher zu benutzen wußte.
Diese traurige Erfahrung und niederschlagende Uiberzeugung hat endlich den Hrn. Magistratsrath Tuscher, der sowohl von mir als von der obervormundschaftlichen Behörde selbst als der geeignetste Mittelsmann in dieser so wichtigen als schwierigen Angelegenheit erkannt worden ist, dahin bewogen, die Vormundschaft wieder abzutreten, in dem Bewußtseyn, daß auf diesem Wege der beabsichtigte Zweck nicht erreicht werden könne.4
Sofort habe ich die, nur in der Absicht und Voraussetzung, daß der obenausgedrückte Zweck durch Hrn. Tuschers Vermittelung in der Eigenschaft als Vormund erreicht werden könnte, an ihn abgetretene Vormundschaft, dem letzten Willen meines seligen Bruders und den früheren Anordnungen der Landrechte, so wie der jetzigen obervormundschaftlichen Behörde gemäß, neuerdings wieder übernommen, und bereits in dieser Eigenschaft die nothwendigen Einrichtungen für die sorgfältigste weitere Erziehung meines Mündels und Neffen getroffen, fest überzeugt, daß dessen Wohl nur auf diese Weise befördert werden könne.
Demzufolge habe ich denselben in das, in der Josephstadt, in der Kaisergasse, im gräfl Chotekischen Hause befindliche Erziehungsinstitut des Hrn. Plöchlinger gebracht,5 das in den gegenwärtigen Verhältnissen in aller Hinsicht der zweckmäßigste Erziehungsort ist.
Indem ich der obervormundschaftlichen Behörde hiervon als Vormund die gebührende Anzeige mache, ersuche ich zugleich, bewirken zu wollen, daß mein Mündel und Neffe von nun an in seiner gegenwärtigen Lage ungestört bleibe, das einzige Bedürfniß, daß jetzt für ihn ernstlich berücksichtigt werden muß, damit er wieder zu sich selbst zurückkommen, und den Forderungen für seine künftige Bestimmung gehörig entsprechen könne.
Ich bitte daher, dem Besitzer dieser <dieser> Erziehungsanstalt, Hrn. Plöchlinger die nöthigen Anweisungen zu ertheilen, damit derselbe die unzeitigen und störenden Interpellationen der Mutter mit dem nöthigen Nachdruck zurückzuweisen sich ermächtigt finde.6 Weiter bedarf es nichts. Bey vorkommenden nöthigen und wichtigen Abänderungen in Ansehung der künftigen Erziehungsweise meines Mündels werde ich nicht versäumen, der obervormundschaftlichen Behörde die geziemende Anzeige zu machen, so wie dieß fürher bey dem Landrechte auch der Fall war, und in solchen Angelegenheiten überall die übliche Ordnung ist.

Wien den 5. July 1819.
Ludwig van Beethowen

An den wohllöblichen Magistrat der k.k. Residenzstadt Wien.
Ludwig van Beethoven in Angelegenheit seines Neffen Carl van Beethoven.



1 Testament vom 14.11.1816.

2 Gemeint ist der Entscheid des niederösterreichischen Landrechts vom 9.1.1816. Ein entsprechender Entschluß des Magistrats liegt nicht vor, vielmehr erkannte er den Vormundschaftsanspruch der Mutter an und sorgte für die Bestellung eines Mitvormundes, nachdem Beethoven zurückgetreten war.

3 Auf Beschluß des Magistrats vom 26.3.1819 wurde per Dekret am 27.3.1819 der Magistratsrat Mathias Tuscher als Mitvormund des Neffen aufgestellt.

4 Tuscher legte am Tage des vorliegenden Schreibens (5.7.1819) die Vormundschaft nieder. In seiner Mitteilung an den Magistrat heißt es (Wien, Stadt- und Landesarchiv, Hauptarchiv-Akten, Persönlichkeiten, B 14, fol. 87 – 88): "Sowohl die Menge der Amtsgeschäfte, als auch mehrere andere Gründe erlauben dem Unterzeichneten nicht weiter der laut decret ./. dto 27t März d.J. übernommenen in jeder Hinsicht lästigen u beschwerlichen Vormundschaft über den Karl van Beethoven vorzustehen; weßwegen er um Enthebung von derselben, u Annahme der Hinterlegung obigen decretes das Ansuchen stellet; auch findet er sich von jeder dießfälligen Rechnungslegung frey, indem er von dem Vermögen seines bisherigen Mündels aus dem Grunde <nichts>nie Etwas zu beheben verursacht ward, weil auch bisher, wie vorher immer, vom Hrn Onkel meines Mündels Ludwig van Beethoven alle Erziehungs u sonstige Kosten ex propriis bestritten worden sind" .

5 Der Neffe Karl war am 22.6.1819 in das Erziehungsinstitut Joseph Blöchlingers eingetreten, nachdem Giannattasio es abgelehnt hatte, ihn erneut aufzunehmen, s. Beethovens Eintragung in seinem Kalender von 1819 (Berlin, Staatsbibliothek, aut. 35,87a, S. 21) und die Auszüge aus Fanny Giannattasios Tagebuch, TDR IV, S. 142f.

6 Eine entsprechende Anweisung hatte seinerzeit auch Giannattasio erbeten (vgl. Brief 901 vom 11.2.1816 und Brief 905 vom 15.2.1816) und am 20.2.1816 erhalten (gerichtliche Anordnung).

7 Franz Zeitlinger, Gerichtsdiener in der Kanzlei des Magistrats der Stadt Wien, s. HSS 1819, I, S. 662.

8 Michael Schoppine, Gerichtsdiener in der Kanzlei des Magistrats der Stadt Wien, s. HSS 1819, I, S. 661.


© 1998 G. Henle Verlag, München