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Editorische Zeichen in den Brieftexten

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Ungebräuchliche und schwer verständliche Abkürzungen im Brieftext werden in eckigen Klammern [ ] aufgelöst. Die gängigen Abkürzungen und Zeichen für Münzen und Währungen bleiben unverändert. Nicht aufgelöst werden auch die geläufigen Abkürzungen bei Tempo- und Instrumentenbezeichnungen wie Allo, Andte, Vno(Violino) und Vcello(Violoncello).

Wurde ein Dokument im Laufe der Überlieferung getrennt und befindet sich nur ein Teil im Beethoven-Haus Bonn, ist dieser Teil in der Übertragung fett wiedergegeben.

Abkürzungen in den Brieftexten

  • # Dukaten
  • sfl., f., fr. Florin, Gulden
  • kr, xr, x Kreuzer
  • C.M., c.m. Konventionsmünze
  • W.W., w.w. Wiener Währung
  • BZ, B.Z. Bancozettel
  • £ Pfund Sterling
  • Rthlr Reichstaler
  • Thlr Taler
  • d.c. da capo
  • d.g., dgl. dergleichen
  • d.s. dal segno
  • etc. et cetera
  • mp, m.p. manu propria
  • Nb. Nota bene
  • P.P. Praemissis Praemittendis
  • P.S. Postscriptum
  • P.T. Pleno Titulo

Der nachgestellte Kommentar enthält den Quellennachweis sowie textkritische und erläuternde Anmerkungen. Für die häufiger zitierte Literatur werden Abkürzungen und Siglen verwendet.

1319. Beethoven an Joseph Karl Bernard

Mödl.[ing] am 2ten aug. [1819]1

lieber Bernard !

Kaum glaubte ich, daß Karl endlich einiger Ruhe genießen, wie auch ich, als oliva gestern von Blöchl.[inger] Hörte daß die bestialische Mutter K.[arls] wieder eine schrift beym Magistrat gegen mich eingegeben habe,2 u. daß der M. sie gefragt wen sie denn zum vormund wünschte, worauf sie meinenBruder3 vorgeschlagen – < oliva> Blöchl. hat dieses von einem Ad vokaten gehört – wie ihnen oliva, den ich sie bitte zu brauchen, erzählen wird – ich glaube, daß sie die ganze sache, nachdem sie mit schmerling4 gesprochen, dem Ad vokaten dr. Krause5 , welchen oliva kennt, auftragen sollen, u daß wir keinen Augenblick verlieren, sogleich unß an das appellation sGericht unß wenden,6 denn ruhe <ist> u. sicherer Fortgang K[arls] ist nicht ohne dieses zu erhalten – zugleich erwarte ich von Steiner ein Formular auf welche Art ihr der Genuß ihrer ganzen Pension gesichert werden soll unter Bedingungen7 – ich bitte sie vor allen zu schmerling zu gehen, geschähe es, daß diese elenden spießbürger mich absezten, welches Unheil für K.[arl] u. dieserBruder
kurzum Es muß etwas geschehen, wissen wir denn sicher, daß man unß die Vorm. wieder zugestanden hat,8 nach solchen vorgängen – fort ist meine ruhe wieder, u. schmerzhaft mein Zustand, so soll denn endlich dieses Ungeheuer Siegen? –

in Eil ihr
Beethoven .

Krause wohnt in ihrer Nähe, schmerling auch.9





[Nachschrift]

oliva habe ich aufgetragen in meiner wohnung10 nachzufragen, ob keine verordnung oder vorrufung des M.[agistrats] da sey,11 die Frage, beyschmerling, ob, weil der M. nichts erwiedert, ich vormund oder nicht, halte ich für nöthig oder bey dr. Krause, er wohnt in der singerstraße. Schmerling können sie alles erzählen, was bisher geschehen ist – u. daß ich einmal den Hauptgrundsaz habe, daß K.[arl] seine verdorbene Mutter so wenig als mögl. sehe – <das>ist das nicht roh, wie die meisten hiesigen instituteurs sind, daß K. noch nicht an mich geschrieben?12 verflucht, Verdammt Vermaledeytes elendes viener Pak! sie können denken, daß, da mein Bruder unter der Decke stekt, mit Geld beym M. gewirkt wird, Schmerling wird am Besten wißen, wie die sache anzugreifen, vieleicht auch wäre es nöthig, noch einmal wir zusammen zu dem Refer.[enten]13 zu gehn – ich hoffe baldige Mitwirkung u. Nachricht. –

in Eil wie immer ihr wahrer Freund
Beethoven

An Seine wohlgeborn Hr. v. Bernard in vien
abzugeben im Viener Zeitungs-Komtoir in der Rauhensteingaße.



1 Die Jahreszahl ist aus inneren Gründen zu ergänzen. Der Wiener Magistrat fungierte seit Januar 1819 als Obervormundschaftsbehörde. Im April 1820 wurde der Streit Beethovens um die Vormundschaft über seinen Neffen vor dem Appellationsgericht entschieden.

2 Diese Eingabe ist nicht bekannt.

3 Johann van Beethoven.

4 Joseph Ritter von Schmerling.

5 Ein Jurist namens Krause ist in Wien bis 1830 nicht nachzuweisen. Die Wohnungsangabe in der Nachschrift läßt vermuten, daß Friedrich Heinrich Krausseneck gemeint ist, Hof- und Gerichtsadvokat, beeideter Notar und weltlicher Rat beim k.k. Konsistorium Augsburgischer Konfession. Er wohnte in der Singerstraße Nr. 950, s. HSS 1819, I, S. 377.

6 Die formalen Bedingungen für einen Rekurs beim Appellationsgericht waren noch nicht gegeben, da der Magistrat Beethovens Eingabe vom 5.7.1819 (Brief 1311) noch nicht beantwortet und die Einsetzung Johanna van Beethovens als Vormund nicht schriftlich fixiert hatte. Erst nach den Bescheiden vom 17.9., 4.11. und 20.12.1819 wandte sich Beethoven schließlich am 7.1.1820 (Brief 1363) an das Appellationsgericht.

7 Johanna van Beethoven hatte sich im Kontrakt vom 10.5.1817 verpflichtet, die Hälfte ihrer Witwenpension zu Erziehung und Unterhalt ihres Sohnes abzutreten. Bereits in seinem Schreiben an den Magistratsrat Piuk deutete Beethoven seine Bereitschaft zum Verzicht an, s. Brief 1313 vom 19.7.1819. Vielleicht erhoffte sich Beethoven von diesem Schritt ein Entgegenkommen seiner Schwägerin in der Frage der Vormundschaft, da er sie in Verdacht hatte, den Neffen nur deswegen an sich ziehen zu wollen, um in den Genuß der vollen Pension zu gelangen, s. seine Eingabe an den Magistrat vom 30.10.1819 (Brief 1350).

8 Beethovens diesbezügliche Eingabe an den Magistrat vom 5.7.1819 (Brief 1311) war noch nicht beantwortet.

9 Bernard wohnte im "Blumenstöckel", Innere Stadt Nr. 986, Ballgasse, Schmerling in der Inneren Stadt Nr. 1026 auf der Kärntnerstraße. Auf der Rauhensteingasse hatte er offenbar ein Büro. Die Wohnungen, auch das Büro, liegen tatsächlich nahe beieinander.

10 Beethovens Stadtwohnung befand sich in der Vorstadt Landstraße Nr. 26, Gärtnergasse.

11 Diesen Auftrag hat Beethoven möglicherweise schriftlich gegeben. Seiner Denkschrift an das Appellationsgericht vom 18.2.1820 gedachte Beethoven ein entsprechendes Schreiben als Beilage A beizugeben.

12 Der langersehnte Brief des Neffen traf schließlich am 19.8.1819 ein.

13 Magistratsrat Franz Xaver Piuk. Aus einer Gesprächsnotiz aus dem März 1820 geht hervor, daß Bernard ihn bereits im Juli 1819 aufgesucht hatte, s. BKh 1, S. 397.


© 1998 G. Henle Verlag, München