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Ungebräuchliche und schwer verständliche Abkürzungen im Brieftext werden in eckigen Klammern [ ] aufgelöst. Die gängigen Abkürzungen und Zeichen für Münzen und Währungen bleiben unverändert. Nicht aufgelöst werden auch die geläufigen Abkürzungen bei Tempo- und Instrumentenbezeichnungen wie Allo, Andte, Vno(Violino) und Vcello(Violoncello).

Wurde ein Dokument im Laufe der Überlieferung getrennt und befindet sich nur ein Teil im Beethoven-Haus Bonn, ist dieser Teil in der Übertragung fett wiedergegeben.

Abkürzungen in den Brieftexten

  • # Dukaten
  • sfl., f., fr. Florin, Gulden
  • kr, xr, x Kreuzer
  • C.M., c.m. Konventionsmünze
  • W.W., w.w. Wiener Währung
  • BZ, B.Z. Bancozettel
  • £ Pfund Sterling
  • Rthlr Reichstaler
  • Thlr Taler
  • d.c. da capo
  • d.g., dgl. dergleichen
  • d.s. dal segno
  • etc. et cetera
  • mp, m.p. manu propria
  • Nb. Nota bene
  • P.P. Praemissis Praemittendis
  • P.S. Postscriptum
  • P.T. Pleno Titulo

Der nachgestellte Kommentar enthält den Quellennachweis sowie textkritische und erläuternde Anmerkungen. Für die häufiger zitierte Literatur werden Abkürzungen und Siglen verwendet.

1353. Aloys Weißenbach an Beethoven

[Salzburg, 15. November 1819]

Herzensfreünd!

Sie hätten wohl der erste von mir Briefe empfangen sollen, wenn ich der Rangordnung wie sie an dem Hofe meines Herzens gilt hätte folgen können; aber während der drey Monate, die ich abwesend war,1 <hab> hat sich mein Herz meinem Hause, und mein Haus schier meinem Herzen entfremdet, und ich beginne oft erst ietzt wieder allgemach heimisch zu werden in meiner stillen Hütte. Ich schrieb neülich an Freünd Bernard,2 und trug ihm meine Grüße an Sie auf. Ich hoffe auf Antwort von ihm.

Tausendmahl hab' ich hier schon an Sie und an Ihr verkanntes, von der großen Welt erdrücktes Herz gedacht. Geht der Schnee wieder vor unsern Bergen weg – ich werde Ihnen keine Ruhe lassen – dann müßen Sie kommen. Sie werden sich in unsre große, herrliche Natur hinein leben und nicht mehr von ihr lassen. Wie der Singvogel <uber> der Berge mit den Blüthen <herüberfliegt uber das Gebirg und das stille> alle Jahre kommt, und das stille, dunkle Gebüsch aufsucht in den Klüften und an dem Bergbach, werden auch Sie heraufziehen in Fruhlingstägen und ein kehren in der Felsen hütte. wird Sie nimmer sehen.3 Dort ist wohl auch eine schone Natur; aber in Vergleich mit der unsrigen ist sie nur das Excrement dieser. Was soll Ihnen auch der Aufenthalt dort für Trost bringen? Im Grunde ist Modling auch nur einer der Retiradewinkel wo die <Natur> Kaiserstadt im Sommer <Ih> ihre Winter-Infarctus absetzt. Es ist wahrlich nicht <erträ[g]lich und> erquicklich, auf den Hügeln und Matten dem Sündervolk aus der Stadt zu begegnen, im welchem nichts zu der Natur in jener Umgegend paßt, als die falschen Herzen zu den falschen Schlößern4 .

Kommen Sie also gewiß und bringen Sie mit, ohne das Ihre Seele nimmer frey ist auf Erden – Ihren Neffen.5 Hier und von hier aus werden sich Mittel und Wege finden lassen <auf>für alle Fälle. Ich wünschte wohl zu erfahren, wie die Sachen nun mit dieser Angelegenheit Ihres Herzens stehen?6 Haben Sie sich nicht durch den Beichtvater7 an die Kaiserin gewendet? Haben Sie nicht den Magistrat von Wien zu Rede gestellt uber das Verbrechen der verletzten Majestät Gottes in einem seiner ersten Geweihten auf Erden? Ich bin gesonnen, es oeffentlich zu thun, wenn Ihnen nicht Genugthuung wiederfährt. Schreiben Sie mir doch einige Worte darüber. Ihr Bild hab ich in einen goldnen Rahmen fassen lassen, und also gethan, was die Könige hatten thun sollen. Es ist ein Verbrechen gegen das Jus Regum , <Ihre> ihre Kopfe in Gold auszuprägen; <aber die wa> dafür geben sie die Köpfe, die Gott ausgeprägt, frey.

Mein Weib küßt und grüßt Sie herzlich. Sie kann die Stunde kaum erwarten, den von Angesicht zu schauen, <mit>auf dessen <Seele und> Flugel sie so oft gen Himmel gefahren.

Grußen Sie mir unsern Bernard
Ewig Ihr
Weißenbach
Salzburg den 1<7>5ten Novmbr 1819.

von Salzburg
Sr. Wohlgeborn Hrn. Louis van Beethoven zu Wien.



1 Weißenbach hatte sich u.a. im Oktober 1819 in Wien aufgehalten, s. Brief 1340 und Bernards Gesprächsnotizen in BKh 1, S. 87. Das Datum seiner Rückkehr nach Salzburg ist nicht bekannt.

2 Der Brief ist nicht erhalten.

3 Beethoven hatte den Sommer 1819 in Mödling verbracht und war Ende Oktober nach Wien zurückgekehrt. Wahrscheinlich glaubte Weißenbach, daß Beethoven künftig einen im Salzburgischen gelegenen Badeort (wie Gastein) vorziehen werde, sobald der Neffe in Salzburg untergebracht sei, vgl. Brief 1340 .

4 Wahrscheinlich eine Anspielung auf die von Fürst Johann von Liechtenstein errichteten Burg- und Tempelbauten in historisierend hellenistischem bzw. mittelalterlichem Stil (Amphitheater, Husarentempel, Ruine Mödling mit Rundturm).

5 Beethoven hatte bereits im Oktober 1819 wahrscheinlich auf Anraten Weißenbachs den Plan gefaßt, den Neffen nach Salzburg in Erziehung zu geben, s. Brief 1340 .

6 Am 17.9.1819 hatte der Wiener Magistrat Beethovens Anspruch auf Vormundschaft über seinen Neffen zurückgewiesen und stattdessen die Mutter als Vormünderin eingesetzt und den Stadtsequester Leopold Nußböck zum Mitvormund ernannt. Beethoven suchte danach in mehreren Eingaben an den Magistrat vergeblich, die Vormundschaft wiederzugewinnen, und wandte sich schließlich am 7.1.1820 an das Appellationsgericht, s. die Briefe 1350 , 1355 und 1363 . In bezug auf die Beantwortung von Weißenbachs Frage riet Franz Oliva Anfang Dezember 1819: "zu früh bis <ich> die Sache beim Mag.[istrat] ganz geendet ist sollten Sie doch den Weißen [bach] nicht schreiben" , s. BKh 1, S. 111.

7 Vielleicht ist Don Ignatius Thomas, der Probst an St. Michael, gemeint. Er war der Beichtvater des Neffen und hatte sich für dessen Unterbringung bei Johann Michael Sailer in Landshut eingesetzt, s. BKh 1, S. 68 und 72.


© 1998 G. Henle Verlag, München