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Editorische Zeichen in den Brieftexten

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  • +...+ Markierung längerer Passagen, auf die im Kommentar eingegangen wird, z.B. mehrfache Unterstreichung
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  •  ... * Asterisk, Kennzeichnung von Textverlust durch Beschädigung der Handschrift

Ungebräuchliche und schwer verständliche Abkürzungen im Brieftext werden in eckigen Klammern [ ] aufgelöst. Die gängigen Abkürzungen und Zeichen für Münzen und Währungen bleiben unverändert. Nicht aufgelöst werden auch die geläufigen Abkürzungen bei Tempo- und Instrumentenbezeichnungen wie Allo, Andte, Vno(Violino) und Vcello(Violoncello).

Wurde ein Dokument im Laufe der Überlieferung getrennt und befindet sich nur ein Teil im Beethoven-Haus Bonn, ist dieser Teil in der Übertragung fett wiedergegeben.

Abkürzungen in den Brieftexten

  • # Dukaten
  • sfl., f., fr. Florin, Gulden
  • kr, xr, x Kreuzer
  • C.M., c.m. Konventionsmünze
  • W.W., w.w. Wiener Währung
  • BZ, B.Z. Bancozettel
  • £ Pfund Sterling
  • Rthlr Reichstaler
  • Thlr Taler
  • d.c. da capo
  • d.g., dgl. dergleichen
  • d.s. dal segno
  • etc. et cetera
  • mp, m.p. manu propria
  • Nb. Nota bene
  • P.P. Praemissis Praemittendis
  • P.S. Postscriptum
  • P.T. Pleno Titulo

Der nachgestellte Kommentar enthält den Quellennachweis sowie textkritische und erläuternde Anmerkungen. Für die häufiger zitierte Literatur werden Abkürzungen und Siglen verwendet.

1991. Beethoven an Joseph Karl Bernard

Badenam 10ten Jun. [1825]1

werther Freund!

Es würde gut seyn, wenn sie manchmal Karl sähen Alleegaße No 72 leztes Hauß,2 auch für seine Litteratur sorgt[en], worüber ich mich selbst mit ihnen auch besprechen werde, Es wird arg mit ihm, etwas arg was <seine> die behandlung gegen mich von ihm betrift, so ist sie äußerst kränkend ja für meine Gesundheit von übeln Folgen – von Sonntag hätte er mir nothwendig schreiben müßen, vergebens habe ich schon 3 Briefe [ge]schrieben,3 keine Antwort, weil ich ihnen sonntags corrigiren muste, welches er dur[c]haus nicht ertragen will, so muste ich ein Betragen von ihm erfahren, wie ich nur von seinem verstorbenen rohen vater erfahren, denn ich ebenfalls mit wohlthaten überhaüfte – ich vermuthe, daß dies Ungeheuer von Mutter wieder im spiel, u. dabey die Intriguen meines Kopf u. Herzlosen H.[errn] Bruders, der schon vor hat mit ihm Handelschaft zu treiben, u. der mich imer Tadeln u. belehren will, (wie die Sau die Minerva im Demostenes4), weil ich mit seinem Hurem Fettlümel u. Bastard5 durchaus nichts zuthun will haben, noch weniger mit solchen so weit unter mir leben will – von ihm kam es denn doch, daß ich den vice Direktor Reißig in der politechnis. Schule noch bloß durch einen Brief zum Mitvormund wählte, da Peters so wenig hier ist, so hielt ich es für Karl nicht übel,6 allein ich fürchte, wir werden spuck erleben, denn ich kann nichts von ihm [erwarten] da ich ihn gar nicht kannte, so viel habe ich durch meinen Eselhaften Hr. Bruder ausgenommen, daß ihm u. Hr. v. R. [eisser] darum zu thun ist, daß er gar nicht mehr bey mir seyn soll,7 o wie fein, zum Geld geben hält man – ich habe erst vor einigen Tägen von hier aus an R geschrieben,8 denn ich war so schwach, daß ich mich kaum um etwas bekümmern konnte u. wie liebreich man für mich gesorgt, mündl. werden sie alles erfahren, der schreckliche 4-te Stock,9 o Gott, ohne Frau welches Leben, jedem Fremden wird man zur Beute – da sie in der nähe dort wohnen,10 so bitte ich sie ebenfals zu dem R. zu gehen, u. ihm meine hierfolgenden vormundschafts diplome11 , u. zu unterricht.[en] wie Blöchlinger sie durchaus nicht im Hause haben wollte, u. dr. B [ach] u. ich deswegen polizeil. Hülfe suchten u. erhielten, u. sie noch desweg. unter polizeil. Aufsich[t] ist12 – Ich werde meinen Grundsäzen hierin bis an's Ende meines Lebens getreu bleiben, sollte Karl aber wieder mit ihr Heiml. Umgang oder ihm darzu geholfen werden, so wird man sich nicht vorstellen, was ich thun werde, denn endlich bin ich ermüdet für so viel aufopferungen u. Großmuth den schändlichsten UnDank zu erleben – wegen dem oratorium seyn sie außer sorgen, ich werde ihnen schon sagen, wenn ich ihrer benöthigt bin13 – sie könnten einmal mit Karl Sonntags u. mit ihrer gattin14 hieher kommen u. bey mir speisen, jezt erhält man von hier aus noch zu ziemlichen Preisen Fuhren –
R. ist nachmittags von 4 uhr an zu finden, auch von 9 uhr Morgens, wo er aber glaube ich nur schon oben <bey[?]>vor den Kollegien zu finden.



1 Die Jahreszahl ergibt sich eindeutig aus dem Inhalt.

2 Seit Beethoven zu seinem Sommeraufenthalt nach Baden gezogen war (7.5.1825), wohnte der Neffe Karl bei Mathias Schlemmer in der Vorstadt Wieden unter der angegebenen Adresse.

3 Einer dieser Briefe, die nach Sonntag, dem 5.6.1825 geschrieben sein müssen, ist wahrscheinlich Brief 1988 . Die beiden anderen Briefe sind nicht erhalten.

4 Nach Plutarch; der Redner Demades soll den Ausspruch getan haben: "Mich will Demosthenes belehren! Die Sau die Athena!" (Biographien, Demosthenes, und ähnlich in den Moralia, 803D.) Beethoven verwendete den Vergleich nochmals in Brief 1953 in bezug auf den Kopisten Wolanek

5 Gemeint sind die Schwägerin Therese van Beethoven geb. Obermayer und deren uneheliche Tochter Amalie Waldmann

6 Der lobkowitzische Hofrat Peters (1782 – 1849), seit 1820 Mitvormund des Neffen, war nach Ostern 1825 (3. April) nach Prag übersiedelt und kam nur noch selten nach Wien. Franz Michael Reisser war vermutlich aus diesem Grunde zum Mitvormund ernannt worden. Wegen Beethovens Krankheit hatte der Bruder Johann mit Reisser verhandelt, s. BKh 7, S. 255.

7 Der Neffe hatte seit seinem Austritt aus dem Blöchlingerschen Erziehungsinstitut, August 1823, bis Anfang Mai 1825 bei Beethoven gewohnt.

8 Der Brief ist nicht erhalten. Vgl. auch Brief 1988 , wo der Brief an Reisser ebenfalls erwähnt wird.

9 Beethoven wohnte von November 1824 bis Anfang Mai 1825 im Haus Johannesgasse Nr. 969, 4. Stock.

10 Bernard wohnte auf der Wieden Nr.100 im Fruhwirthschen Hause direkt neben der Karlskirche, Reisser auf der Wieden Nr.180. Beide Häuser lagen ziemlich nah beieinander.

11 Am 8.6.1825 notierte sich Beethoven: "an Reissig ist das Beste der H.[err] Bruder beschreib[t] die Vormunds Diplome nur deswegen" , s. BKh 7, S. 300.

12 Vgl. Brief 1405 vom August 1820

13 Bernard hatte im Auftrag der Gesellschaft der Musikfreunde das Oratorientextbuch Der Sieg des Kreuzes geschrieben. Beethoven hatte mehrfach die Vertonung zugesagt und schon 1819 einen Honorarvorschuß in Empfang genommen, s. u.a. Brief 1307 vom 15.6.1819 und Brief 1772 vom 13.1.1824

14 Magdalena Bernard geb. Graßl


© 1998 G. Henle Verlag, München