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Ungebräuchliche und schwer verständliche Abkürzungen im Brieftext werden in eckigen Klammern [ ] aufgelöst. Die gängigen Abkürzungen und Zeichen für Münzen und Währungen bleiben unverändert. Nicht aufgelöst werden auch die geläufigen Abkürzungen bei Tempo- und Instrumentenbezeichnungen wie Allo, Andte, Vno(Violino) und Vcello(Violoncello).

Wurde ein Dokument im Laufe der Überlieferung getrennt und befindet sich nur ein Teil im Beethoven-Haus Bonn, ist dieser Teil in der Übertragung fett wiedergegeben.

Abkürzungen in den Brieftexten

  • # Dukaten
  • sfl., f., fr. Florin, Gulden
  • kr, xr, x Kreuzer
  • C.M., c.m. Konventionsmünze
  • W.W., w.w. Wiener Währung
  • BZ, B.Z. Bancozettel
  • £ Pfund Sterling
  • Rthlr Reichstaler
  • Thlr Taler
  • d.c. da capo
  • d.g., dgl. dergleichen
  • d.s. dal segno
  • etc. et cetera
  • mp, m.p. manu propria
  • Nb. Nota bene
  • P.P. Praemissis Praemittendis
  • P.S. Postscriptum
  • P.T. Pleno Titulo

Der nachgestellte Kommentar enthält den Quellennachweis sowie textkritische und erläuternde Anmerkungen. Für die häufiger zitierte Literatur werden Abkürzungen und Siglen verwendet.

2236. Beethoven an Franz Gerhard Wegeler in Koblenz

Wien am 7t 10br [= Dezember] 1826.1

Mein alter geliebter Freund!

Welches Vergnügen mir dein, u. deiner Lorchen Brief2 verursachte, vermag ich nicht auszudrücken. Freylich hätte pfeilschnell eine Antwort darauf erfolgen sollen; ich bin aber im Schreiben überhaupt etwas nachlässig, weil ich denke, daß die bessern Menschen mich ohnehin kennen. Im Kopf mache ich öfter die Antwort, doch wenn ich sie niederschreiben will, werfe ich meistens die Feder weg, weil ich nicht so zu schreiben im Stande bin, wie ich fühle. Ich erinnere mich aller Liebe, die du mir stets bewiesen hast; z.B. wie du mein Zimmer weissen ließest u. mich so angenehm überraschtest,3 – eben so von der Familie Breuning[.] Kam man von einander, so lag dieß im Kreislauf der Dinge; jeder mußte den Zweck seiner Bestimmung verfolgen, u. zu erreichen suchen. Allein die ewig unerschütterlichen, festen Grundsätze des Guten hielten uns dennoch immer fest zusammen verbunden. – Leider kann ich heute dir nicht so viel schreiben, als ich wünschte, da ich bettlagerig bin, u. beschränke mich darauf, einige Punkte deines Briefes zu beantworten. Du schreibst, daß ich irgendwo als natürlicher Sohn des verstorbnen Königs von Preussen angeführt bin;4 man hat mir davon schon vor langer Zeit ebenfalls gesprochen.5 Ich habe mir aber zum Grundsatze gemacht, nie weder etwas über mich selbst zu schreiben, noch irgend etwas zu beantworten, was über mich geschrieben worden. Ich überlasse dir daher gerne, die Rechtschaffenheit meiner Altern, u. meiner Mutter insbesondre, der Welt bekannt zu machen. – Du schreibst von deinem Sohne6 . Es versteht sich wohl von selbst, daß, wenn er hieher kommt, er seinen Freund u. Vater in mir finden wird; u. wo ich im Stande bin, ihm in irgend etwas zu dienen oder zu helfen, werde ich es mit Freuden thun. –
Von deiner Lorchen habe ich noch die Silhouette7 , woraus zu ersehn, wie mir alles liebe u. Gute aus meiner Jugend noch theuer ist.
Von meinen Diplomen schreibe ich nur kürzlich, daß ich Ehrenmitglied der k. Gesellschaft der Wissenschaften in Schweden8 , eben so in Amsterdam9 , u. auch Ehrenbürger von Wien10 bin. – Vor Kurzem hat ein gewisser Dr. Spicker meine letzte große Symphonie mit Chören11 nach Berlin mitgenommen; sie ist dem Könige gewidmet, u. ich mußte die Dedication eigenhändig schreiben. Ich hatte schon früher bey der Gesandtschaft um die Erlaubniß, das Werk dem Könige zueignen zu dürfen, angesucht,12 welche mir auch von ihm gegeben wurde. Auf Dr. Spickers Veranlassung musste ich selbst das corrigirte Manuskript mit meinen eigenhändigen Verbesserungen demselben für den König übergeben, da es in die k. Bibliothek kommen soll. Man hat mir da etwas von dem rothen Adler-Orden 2ter Klasse hören lassen; wie es ausgehn wird, weiß ich nicht, denn nie habe ich derley Ehrenbezeugungen gesucht. Doch wäre sie mir in diesem Zeitalter wegen Manches Andern nicht unlieb. 13
– Es heißt übrigens bey mir immer: Nulla dies sine linea14 , u. lase ich die Muse schlafen, so geschieht es nur, damit sie desto kräftiger erwache. Ich hoffe noch einige große Werke zur Welt zu bringen, u. dann wie ein altes Kind irgendwo unter guten Menschen meine irdische Laufbahn zu beschließen. – Du wirst bald durch die Gebrüder Schott in Mainz einige Musikalien erhalten.15 – Das Portrait, welches du beyliegend bekommst, ist zwar ein künstlerisches Meisterstück, doch ist es nicht das letzte, welches von mir verfertigt wurde.16 – Von den Ehrenbezeigungen, die dir, ich weiß es, Freude machen, melde ich dir noch, daß mir von dem verstorbnen König von Frankreich eine Medaille zugesandt wurde, mit der Inschrift: Donné par le Roi à Monsieur Beethoven ; welche von einem sehr verbindlichen Schreiben des premier Gentilhomme du Roi, Duc de Châtres, begleitet wurde.17
Mein geliebter Freund! Nimm für heute vorlieb, ohnehin ergreift mich die Erinnerung an die Vergangenheit; u. nicht ohne viele Thränen erhältst du diesen Brief. Der Anfang ist nun gemacht, u. bald erhältst du wieder ein Schreiben; und je öfter du mir schreiben wirst, desto mehr Vergnügen wirst du mir machen. Wegen unsrer Freundschaft bedarf es von keiner Seite einer Anfrage, u. so lebe wohl; ich bitte dich, dein liebes Lorchen u. deine Kinder in meinem Nahmen zu umarmen u. zu küssen, u. dabey meiner zu gedenken. Gott mit euch allen!

Wie immer dein treuer, dich ehrender wahrer Freund
Beethoven



1 Der Brief wurde nicht sofort abgschickt, sondern blieb bis zum 17.2.1827 liegen, s. Brief 2257 .

2 Brief 2100 und 2101 vom 28. bzw. 29.12.1825.

3 Wegeler hat den Brief in den Biographischen Notizen veröffentlicht (S. 49ff.) und merkt zu dieser Stelle an: " Beethoven wohnte damals zu Bonn in der Wenzelgasse im Perettischen Hause" , s. Wegeler/ Ries S. 52.

4 Siehe Brief 2100 bei Anm. 17 .

5 Vgl. BKh 1, S. 179; Gesprächsaufzeichnungen von Karl Peters von Ende Dezember 1819.

6 Julius Wegeler (1807 – 1883).

7 Wegeler merkt an: "Die Silhouetten sämmtlicher Glieder der Familie von Breuning und der näheren Freunde des Hauses wurden in zwei Abenden von dem Maler Neesen in Bonn verfertigt; [...] Beethoven mag damals im 16ten Jahr gewesen sein" , s. Wegeler/ Ries S. 52.

8 Siehe das Diplom vom 28.12.1822 in Brief 1543 , mit dem Beethoven zum auswärtigen Mitglied der schwedischen Akademie ernannt wurde.

9 Beethoven war zum Korrespondenten des königlich niederländischen Instituts der Wissenschaften, 4. Klasse, ernannt worden, s. Brief 396 vom 9.8.1809.

10 Beethoven hatte "taxfrey" das Bürgerrecht der Stadt Wien verliehen bekommen, s. Brief 853 vom 16.11.1815.

11 Op. 125.

12 Siehe Brief 2129 von Anfang März 1826.

13 Beethoven erhielt lediglich einen Brillantring, s. Brief 2231 vom 25.11.1826 und Brief 2238 (um den 12.12.1826).

14 Plinius d.J., Naturalis historia XXXV, 84; dasselbe Zitat begegnet in Brief 1885 vom 29.9.1824.

15 Die Lieder op. 121b, op. 122, op. 128 und die Bagatellen op. 126, s. Brief 2244 . Wegeler bedankte sich in Brief 2255 vom 1.2.1827.

16 Es handelt sich um die Lithographie von Friedrich Dürck nach dem Gemälde von Joseph Karl Stieler aus dem Jahre 1820. Das Wegeler übersandte Blatt trägt die eigenhändige Widmung "Seinem vieljährigen, geehrten, geliebten Freunde F. v. Wegeler von" (folgt gedruckt der Name " LOUIS VAN BEETHOVEN").

17 Siehe Brief 1781 vom 20.2.1824.


© 1998 G. Henle Verlag, München