2287. Sebastian Rau an Ignaz Moscheles in London
Wien, den 28-t März 1827
Lieber Freund!
Beethoven ist nicht mehr; er verschied den 26tn März Abends zwischen 5 – 6 Uhr – unter dem herbesten Todeskampf und schrecklichen Leiden. Er war jedoch schon den Tag zuvor ohne alle Besinnung. –
Nun ein Wörtchen von seiner Verlassenschaft. Aus meinem letzten Schreiben hast du ersehen, daß Beeth. nach seiner eigenen Äußerung sich ohne Hülfe, ohne Geld, folglich in der grösten Noth befinde. Allein bey der Inventur, bey welcher ich gegenwärtig war, fand man in einem alten, halb vermoderten Kasten 7 Stück Bank-Actien .
Ob Beeth. sie absichtlich verheimlichte, |: denn er war sehr mißtrauisch und hoffte eine baldige Wiedergenesung :| oder ob er es selbst nicht wußte, daß er sie besitze, ist ein Problem, [da]s ich nicht zu lösen vermag. – Die von der Philhar. Gesellschaft überschickten f 1000 C.M. fanden sich noch unberührt vor. Ich reklamirte sie deiner Erklärung gemäß; mußte sie jedoch bis zur näheren Verfügung von der Philh. Gesellschaft beym Magistrate deponiren .
Daß die Leichenkosten aus diesem Gelde bestritten werden, konnte ich ohne Einwilligung v. der Gesellschaft nicht zugestehen. Ich erlaube mir aber die Bitte, wenn von dort etwas erwirkt werden dürfte, daß es zu Gunsten der 2 armen Dienstleute, die den Kranken mit unendlicher Geduld, Liebe und Treue pflegten, geschehen möge, da ihrer im Testamente mit keinem Worte erwähnt wurde. Der Neffe v. Beeth. ist Universalerbe. – Über das v. Beeth. der Phil. Ges. zugedachte Geschenk wird dir H.[err] Schindler seiner Zeit das Nähere mittheilen. Schreibe mir bald und bestimmt, was ich zu thun habe, und sey von meiner Pünktlichkeit überzeugt.
Den 29tn D.[ieses] wird B. begraben. Es erging eine Einladung an alle Künstler, Kapellen und Theater. 20 Virtuosen und Compositeurs werden die Leiche mit Fackeln begleiten. H.[err] Krillpatzer hat einen äußerst rührenden Sermon verfertigt, den H.[err] Anschütz am Grabe sprechen wird. Überhaupt ist die Einleitung zu einer feyerlichen <Best> des Verstorbenen würdigen Beerdigung getroffen worden. –
Die ganze Familie Eskeles grüßt dich und die Deinigen, so wie ich von ganzem Herzen
dein Freund Rau
In Eil u. mit anhaltenden Augenschmerzen.
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Heinrich Anschütz (1785 – 1865), Hofschauspieler in Wien. Er trug am 29.3.1827 die von Franz Grillparzer verfaßte Grabrede vor.